Kapitel 2: Auf Wiedersehen
KELKHEIM

Startlinie

Auf Wiedersehen

Nach nur zwei Stunden Schlaf wache ich auf und bin dennoch hellwach. Es ist so weit. Abfahrt Richtung China. In diesem Moment kommt es mir völlig absurd vor. Während ich zum „letzten Mal“ unter der heißen Dusche stehe schießen mir tausend Dinge durch den Kopf. Ich kann kaum noch klar denken, mich nicht darauf konzentrieren, was ich heute morgen noch Alles erledigen wollte. In mir macht sich eine Gefühlsmischung aus Angst, Aufregung, Freude, Panik und Resignation breit. Was haben wir uns da nur vorgenommen? Von draußen trötet Onkel Axel: „Zeeeeehn Uuuuuuhrrr!!!! Los geht‘s!!!“ Während wir hektisch durch das Haus flitzen, letzte Dinge ohne Ordnung und System in die Packtaschen stecken, werfe ich einen flüchtigen Blick aus dem Wohnzimmerfenster. Draußen hat sich eine Menschentraube aus Eltern, Verwandten, Freunden und Nachbarn gebildet. Meine Güte und das Alles wegen uns! Ich gehe ein letztes Mal unsere endlos erscheinende Packliste in meinem Kopf durch, werde aber ständig aus meinen Gedanken gerissen. „Können wir noch etwas helfen?“ „Könnt ihr euch kurz hier hin stellen für ein Foto?“ „Kind, hast du schon was gegessen?“ Schließlich gebe ich auf.


Unsere Fahrräder stehen schon draußen in der Menge. Timm und ich schauen uns noch ein mal an, grinsen, holen tief Luft und schreiten mit unseren Fahrradhelmen unter dem Arm spaßeshalber wie in dem Hollywood Streifen „Armageddon“ in Zeitlupentempo hinaus. Einlauf in die Arena!


Einzug in die Arena

 

Gruppenfoto mit WE ARE T-shirts

Gruppenfoto mit WE ARE T-shirts

Weinen oder Lachen?

Als plötzlich alle ihre Jacken öffnen und rund um uns herum weiße mit „WE ARE“-Logo bedruckte T-Shirts aufblitzen, fällt die Entscheidung binnen Sekunden: Weinen und Lachen! Tagelang habe ich mir Gedanken über den Moment des „Auf Wiedersehen Sagens“ gemacht. Jetzt geht alles ganz schnell. Jeder wird noch ein mal fest gedrückt. Am liebsten würde ich alle hundert mal umarmen, doch der Fotograf wartet. Da steht es vor mir: Mein Fahrrad, welches mich die nächsten 300 Tage begleiten wird. Ein Gigant mit 70 kg. Die ersten Meter läuft Torsten neben mir her, um mich zu stützen sollte ich ins Wanken geraten. Aber es funktioniert. Freie Fahrt voraus. Und schon sind wir losgefahren.


Losfahren

Losfahren

Die Anspannung lässt nach!

Mit jedem Meter funktioniert das Fahren auf dem schwer beladenen Rad besser. Das Zittern der Arme und Beine lässt nach. Doch wirklich manövriersicher sind wir noch nicht. Jede Kurve, jede Bodenveränderung gestaltet sich als Herausforderung. Doch wir haben ja bis China Zeit zum Üben! Es ist ein schönes Gefühl die ersten Meter noch nicht „allein“ fahren zu müssen. Der Tross aus Eltern, Geschwistern und Verwandten begleitet uns noch ein Stück. Doch nach und nach wird auch Dieser immer kleiner: Timms Großeltern und Tante Gitta lassen wir nach einer Suppenstärkung in Sindlingen zurück, einen Großteil der Familie in Frankfurt am Main bei tosendem und irgendwie in diesem Moment ironischen Karnevals-Tumult, meine Eltern am Ortseingang von Offenbach, bis schließlich nur noch Timm‘s Brüder Erik und Jens bei uns sind. Unsere mentale Stärkung für die erste Nacht im Zelt.


Sindlinger Brücke

Sindlinger Brücke

 

Auf Wiedersehen

Auf Wiedersehen

Beeindruckende Industrie-Romantik

Unser Lager schlagen wir direkt am Main hinter einer dicht bewachsenen Böschung auf. Vor der Kulisse eines mächtigen Kraftwerks. Der Pizzalieferant wundert sich sicher auch, als wir ihn im Dunkeln auf zwei Fahrrädern empfangen und mit der dampfenden Pizza in der Dunkelheit verschwinden. Schnell kriechen wir an diesem Abend in unsere Schlafsäcke. Die Kälte schleicht sich von allen Seiten an und wir sind müde von den kurzen Nächten der letzten Tage. Als wir auf die Uhr schauen, stellen wir fest, dass gerade erst das Abendprogramm im Fernsehen beginnt.


Industrie Romantik

Industrie Romantik

 

Die Reste eines Faschings-Umzuges. Wir nehmen sie dankend an. Käsewurst und belegte Brötchen.

Die Reste eines Faschings-Umzuges. Wir nehmen sie dankend an. Käsewurst und belegte Brötchen.

Pizza schlemmen bei -2°C

Pizza schlemmen bei -2°C