Kapitel 11: Budapest bei Tag und bei Nacht
BUDAPEST

Postkartenmotiv von der Spitze der Margitsziget

Postkartenmotiv von der Spitze der Margitsziget

Immer wieder Sonntags…

…ist es voll auf den Strassen. Der Euro Velo 6 in Richtung Budapest ist so stark befahren, wie die A5 im Berufsverkehr. Ich höre in meinem Kopf die Musik von Tetris (“daa..dadada..dada…dadadaaaa”) und komme mir zwischen all den Radfahrern vor, wie einer der Steine, die irgendwie ihren Platz finden müssen. Dass es keine Massenkarambolage gibt, grenzt an ein Wunder. Wären die Räder Autos, nähmen wir wohl die Rolle eines Schwertransporters ein. Beladen bis zum Anschlag. Immer wieder werden wir – wenn sich eine Möglichkeit bietet – von dynamischeren Sportwagen überholt. Einzig Familien mit Kleinkindern, geben uns die Chance auch einmal ein Überholmanöver auszuführen. Befriedigend aber auch gleichzeitig enttäuschend. Kurz vor Budapest herrscht entlang des Weges Jahrmarktstimmung. Es gleicht der Strandpromenade von Sylt in der Hochsaison. Es gibt viele Stände und wie ein Marktschreier ruft ein Mann mit sehr voluminöser Stimme die Nummern der fertigen Bestellungen auf. “Timm”, ruft es zwischen einem Haufen für uns unverständlicher Zahlen: Wir gönnen uns einen großen frittierten Fisch mit Pommes und Zwiebelringen. Kurz vor fünf erreichen wir Budapest. Ein netter Radfahrer erklärt uns den Weg zu der Jugendherberge, in der wir drei Nächte bleiben wollen. Während wir mit ihm in ein längeres Gespräch geraten, wird es um uns herum langsam dunkel und Budapest erstrahlt in einer nächtlichen Beleuchtung. Sein Sohn fährt ungeduldig um uns herum. “Ihr müsst noch einen ziemlich hohen Berg hinauf.” Das klingt nicht gut! Er bietet uns an, falls uns eine weitere Stunde Fahrt nicht zu weit ist, bei ihm zu übernachten. Wir sind unsicher, da es ein sehr nettes Angebot ist und es sicherlich wieder eine interessante Bekanntschaft wäre. Auf der anderen Seite sind wir ausgepowert und brauchen einfach mal unsere Ruhe. Wir entscheiden uns gegen sein Angebot und bereuen es ein bisschen als wir in Richtung Moszkva tér weiterfahren. Von dort aus soll es eine Bahn geben, die hinauf zum gesuchten Youth Hostel fährt.


Fish & Chips auf ungarisch

Fish & Chips auf ungarisch

 

Unser erstes Eis dieses Jahr

Unser erstes Eis dieses Jahr

Doch Niemand scheint dieses Hostel zu kennen. Zwei nette Jungs, die eine Promotion Aktion für Chubba Chubbs durchführen, sind wohl erfreut über ein wenig Abwechslung und helfen uns so gut sie können. Nach einem Telefongespräch auf ungarisch mit der Jugendherberge finden sie schließlich doch noch heraus, welche Buslinie wir nehmen müssen. Doch die Odysee ist damit noch nicht beendet. Der Busfahrer weigert sich unsere Räder mit an Bord zu nehmen. Sturer Bock. Ich fange an auf Deutsch zu Fluchen. Den Berg fahre ich heute sicherlich nicht mehr hoch. Ich möchte einfach nur noch schlafen, duschen und in ein sauberes Bett. Der Busfahrer kommt auf uns zu und erklärt uns, dass es wohl auch eine Bahnlinie gibt, mit der wir fahren können. Vielleicht ist er ja doch ganz nett und ich berreue ein wenig meinen vorangegangenen Wutausbruch. Der Ausblick, der sich uns bei der Fahrt hinauf bietet, ist für die mühsame Suche Entschädigung genug. Unter uns erstrahlt Budapest und sieht aus, wie ein riesiges Meer aus Lichtern, inmitten derer das Parlamentsgebäude besonders hervorsticht.


Mit der Bahn geht es den Berg hinauf

Mit der Bahn geht es den Berg hinauf

Ankunft im Nirgendwo

Als wir aus der Bahn aussteigen, stehen wir dafür in völliger Dunkelheit. Ein schüchtern wirkender Junge etwa in unserem Alter ist unsere letzte Hoffnung. “Do you speak English?” “Ich spreche auch ein bisschen Deutsch…”, sagt er und ich gehe in Gedanken schnell durch, über was wir so alles in der Bahn geredet haben! Lektion Nummer Eins: Vorsichtig sein mit der deutschen Sprache! Auch im Ausland könnte dich Jemand verstehen. Er erklärt uns in perfektem Deutsch den Weg und wir fahren noch ein paar hundert Meter durch die Nacht. In der Dunkelheit erscheint einem Vieles anders. Das Sichtfeld ist eingeschränkt. Man sieht kaum noch etwas von der Umgebung. So liegt auch das Hotel in kompletter Dunkelheit. Weit und breit ist nichts Anderes zu sehen. Es scheint völlig abgelegen zu sein. Ein blockartiges Gebäude, welches ein wenig an eine sowjetische Schule erinnert. Es macht den Eindruck, als wäre durch die gläsernen Eingangstüren schon lange keiner mehr gegangen. Hinter ihnen hängen dunkle, schwere Stoffvorhänge als Isolation gegen die Kälte. Ich komme mir vor, wie im Grusel-Thriller “Shining” von Stephen King. An der Rezeption ein junges Mädchen mit braunen Dreadlocks und freundlichem Gesicht die zum Glück nicht in mein Bild passt. Hätte dort jetzt eine alte Frau mit krausem Haar und Spinnweben um sich herum gesessen, wäre meine Verwunderung nicht groß gewesen. Doch die Frau spricht perfektes Englisch und erklärt uns freundlich, wo alles ist. Ein etwas pummeliger Junge sitzt auf einer Sofagruppe vor dem Fernseher. Interessant Will Smith ungarisch reden zu hören. Echt talentiert der Mann! Durch spärlich beleuchtete Gänge gelangen wir zu unserem Zimmer und ich bin sofort wieder in der Szenerie meines Psycho Thrillers. Eine einzige flimmernde Neonleuchte beleuchtet den Eingang zu unserm Zimmer. Ein kleiner Raum aus einer anderen Zeit. Rundum eingefasst mit einer dicken Stoffbordüre. Obwohl ich den unbändigen Drang verspüre heiß zu duschen, zieht es mich nicht wirklich in die gruseligen Waschräume.
Hinter einem der Vorhänge wartet bestimmt ein ungarischer Jigsaw. Also begleitet mich Timm in den menschenleeren Damenduschraum und darf sich von dort nicht wegbewegen, bis ich mit dem Duschen fertig bin. Zum Glück gibt es dort W-Lan und er nutzt die Zeit, um eine Verbindung zur Aussenwelt herzustellen.


Das Hotel Csilleberc. Im Dunkeln ein gruseliger Anblick.

Das Hotel Csilleberc. Im Dunkeln ein gruseliger Anblick.

 

War da nicht gerade eine Gestalt am Ende des Flures?

War da nicht gerade eine Gestalt am Ende des Flures?

 

Wer versteckt sich da hinter dem Vorhang?

Wer versteckt sich da hinter dem Vorhang?





 

Ein paar Budapest Impressionen – Die eleganteste Stadt Europas

Das behauptete zumindest Thomas Mann. Mit seinen einzigartigen Jugendstil-Bauwerken, der blauen Donau, die sich mitten durch die Stadt ihren Weg bahnt, mit seinen Thermalquellen und einer herrlich gemütlichen Kaffeehauskultur kann Budapest locker mit Paris oder Wien mithalten. 1873 wurden die beiden Städte Buda und Pest vereint, doch die einstige Teilung ist bis heute zu spüren. Am hügeligen Westufer der Donau liegt Buda. Das renovierte Altstadtviertel, die schmalen Gassen und der berühmte Burgpalast erinnern an die glanzvolle Zeit der Habsburger. Östlich der Donau, über neun Brücken zu erreichen, liegt Pest, die quirlige Stadt der Studenten, Arbeiter, Künstler und Kaufleute. Hier in der Innenstadt mit ihren Jugendstilbauten und Prachtboulevards pulsiert das Leben, hier sind Theater, Handwerk und Vergnügungsviertel – und der alte Spruch der Budapester “in Buda wohnen und in Pest leben” gilt noch heute. (Quelle: www.zehn.de/budapest-ungarn-139727-10)


Weissbrot mit Frischkäse und toller Aussicht zum Frühstück

Weissbrot mit Frischkäse und toller Aussicht zum Frühstück

 

Ein wahres Highlight: Die Fahrt mit der Metro. Auf endlos langen Rolltreppen fährt man hinab und verliert jedes Gefühl für oben und unten.

Ein wahres Highlight: Die Fahrt mit der Metro. Auf endlos langen Rolltreppen fährt man hinab und verliert jedes Gefühl für oben und unten.

 

Im warmen Sonnenlicht ist es jedoch wesentlich angenehmer

Im warmen Sonnenlicht ist es jedoch wesentlich angenehmer

 

I´m walking...

I´m walking...

 

Auf einer Länge von 40 Metern wurden sechzig Paar Schuhe aus Metall am Boden angebracht. Es ist zum Gedenken an die ungarischen Jude,n die 1944 und 1945 am Donau-Ufer zusammengetrieben und erschossen wurden. Die Schuhe stehen oder liegen „wie zufällig“ übrig geblieben.

Auf einer Länge von 40 Metern wurden sechzig Paar Schuhe aus Metall am Boden angebracht. Es ist zum Gedenken an die ungarischen Juden, die 1944 und 1945 am Donau-Ufer zusammengetrieben und erschossen wurden. Die Schuhe stehen oder liegen „wie zufällig“ übrig geblieben.