Erst mal Stress mit ´nem Bullen…
Entgegen aller “Warnungen” begegnen uns die azerbaidschanischen Beamten freundlich und fair. Oft wurde uns erzählt, sie seien korrupt und als Tourist müsse man sich auf einige nervige Passkontrollen einstellen. An der Grenze werden wir allerdings sehr zuvorkommend behandelt, an den vielen wartenden Autos vorbeigelotst und auf der Strasse von Polizeiwagen freundlich hupend begrüßt. Doch ein Bulle hat es auf uns abgesehen…
Erste Kontakte
Wider Erwarten begegnen uns die Menschen in Aserbaidschan sehr freundlich. In vielen Reiseforen und über andere Reisende hatten wir meist eher negative Berichte erhalten. Doch fast alle Autofahrer winken und hupen und in ihren Gesichtern erkennen wir ehrliche Begeisterung. Oft wird sogar angehalten und um ein Foto mit uns gebeten! Einzig die Sprache wird in Aserbaidschan erstmals zum “Problem”. Russisch dient neben der Landesprache zur übernationalen Verständigung und oft schütteln die Leute ungläubig den Kopf, wenn die Frage ob wir “russkii?” sprechen beneinen müssen. “Wie kann man denn durch Aserbaidschan reisen ohne Russisch zu sprechen!?” – Es geht! Es ging auch in allen anderen Ländern! Doch anscheinend fällt es den Menschen hier besonders schwer – sei es aufgrund von Unverständnis oder mangelnder Reiseerfahrung – auf andere Verständigungsmethoden umzuschwenken. Lieber wird in fünfminütigen Dauervorträgen in einer Mischung aus Aserbaidschanisch und Russisch auf uns eingeredet. Wir bemühen uns, es schnellstmöglich zu lernen!
In Qax ([Gach]) versuchen wir unser Glück, einen Schlafplatz zu finden, bei einer Bauernfamilie. Wir sind etwas irritiert, als uns der Vater immer wieder vor die Füsse spuckt. Dass dies aber am Kautabak liegt und nicht an seiner Abneigung uns gegenüber, merken wir schnell, als wir mit Tee und Bonbons zum Abendessen überrascht werden. Auf der Wiese die zu ihrem Grundstück gehört, dürfen wir das Zelt aufbauen. Mutter mit Tochter leisten uns für den Rest des Abends, wenn auch still schweigend, Gesellschaft. Auch eine schöne Art der Kommunikation.
Ein Franzose auf Reisen
Nachdem wir eine Nacht mal wieder auf dem Grundstück eines Restaurants verbracht haben (mit Toilette und kühler Quelle) erfahren wir von dem Wirt, dass erst gestern ein Franzose zu Fuß vorbeigekommen sei. Unsere Neugier ist geweckt und so fahren wir wachsamer als sonst auf den nächsten 40 Kilometern, denn weiter dürfte der Wandersmann zu Fuß seit gestern nicht gekommen sein. Und tatsächlich entdecken wir kurz darauf einen riesigen Rucksack, der von zwei Beinen getragen wird. Timm begrüßt den Mann mit “Benoit?” woraufhin sich dieser verduzt umdreht. Ja, die Welt ist klein, selbst wenn man zu Fuß unterwegs ist. Von Italien nach China möchte er. Sein zweites paar Schuhe ist nach 6 Monaten Nomadenleben auch schon wieder bereit ersetzt zu werden. Wir beneiden ihn nicht, aber bewundern ihn um so mehr. Bon Voyage, Benoit!
So nicht!
Da wir es inzwischen als ziemlich anstrengend empfinden, in Städten immer von Menschentrauben umlagert zu werden und ständig die immergleichen Fragen zu beantworten, wählen wir die neugebaute Umgehungsstrasse um die Stadt Qaebaelae herum. Diese zieht sich schweißtreibend bei Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad Celsius und praller Sonne einen Berg hinauf. Der Geruch von heißem Teer klebt in unseren Nasen. Eine kühle Quelle wartet belohnend am höchsten Punkt auf uns. Doch wir können uns der Stadt und ihren Menschen nicht entziehen, und so bildet sich auch hier schon nach kurzer Zeit eine Ansammlung um uns und die Räder. “Otkuda?” (“Woher?” auf russisch) tönt es von allen Seiten. Und weil wir uns wie bei einer Pressekonferenz vorkommen, bei der man unzählige Mikrofone entgegengestreckt bekommt, konzentrieren wir uns auf eine Person, beantworten brav die Fragen und die Anderen dürfen ihre Mikrofone dazuhalten. Orkhan sticht aus der Gruppe hervor. Er spricht perfektes Englisch und dient seinem Vater als Übersetzer, welcher sehr interessiert an uns ist und seinen Sohn drängt, immer neue Fragen zu stellen. Da der Tag sich schon dem Abend neigt und wir eigentlich nur noch ein bisschen aus der Stadt fahren wollten, um einen Schlafplatz zu suchen, kommt die Einladung der Familie bei ihnen zu Übernachten gerade recht. Kurzerhand sagen wir ja und folgen dem weißen Geländewagen. Ich frage mich, ob dies wirklich eine gute Entscheidung war, denn wir rollen den kompletten, gerade erst hart erarbeiteten Berg wieder hinunter. Auch Timm signalisiert mir über seinen Rückspiegel, dass er gerade den gleichen Gedanken hat. Doch wir werden unglaublich freundlich empfangen, bekommen ein eigenes Zimmer zugeteilt und essen zusammen mit der Familie ein leckeres Abendessen.
Verlängerung
Eigentlich wollten wir uns am Morgen wieder auf den Weg machen. Doch die Familie besteht darauf, uns nicht gehen zu lassen, bevor sie mit uns ein kleines Touristen-Sightseeing-Programm unternommen hat. Und warum wir nicht noch eine Nacht länger bleiben? Ja, warum nicht. Schließlich ist es eine gute Möglichkeit das Land und die Leute besser kennenzulernen. So steigen wir anstatt auf unsere Räder, in den weißen Geländewagen und begeben uns erwartungsvoll mit Orkhan und seinem Bruder Serkhan auf eine Privattour durch Qaebaelae. Was hat der Ort wohl “zu bieten”? Die Lage ist traumhaft, inmitten der gigantischen Kulisse des Kaukasus gelegen. Doch das Thema Natur hat hier einen nicht allzu großen Stellenwert. Wie gesagt, sie dient als Kulisse. Wer hier Wanderrouten sucht, wird nicht fündig werden. Vielmehr erwarten uns Restaurants, 5-Sterne-Hotels und ein Freizeitpark mit Schwimmbad und Eissporthalle! Mal ein etwas anderes Programm, dass uns wieder einmal zeigt das Prestigedenken in Aserbaidschan gegenüber den Natursensationen des Landes Vorrang hat, aber dennoch eine unterhaltsame Abwechslung ist. So weckt das Go-Kart fahren in Timm das Kind im Manne…
Kebab
Es mag uns Deutschen etwas ungewöhnlich erscheinen, dass im Kofferraum des Geländewagens ein beinahe komplettes Schaf liegt. Hier ist das Normalität. Sie hängen vor kleinen “Schlachthäusern” überall entlang der Strassen. Ich darf bei der Zerrlegung in Mundgerechte Stücke helfen. Eine neue Erfahrung, wenn man sein Fleisch sonst nur abgepackt aus dem Supermarkt Regal serviert bekommt. Doch es ist sehr lehrreich, denn Orkhans Vater ist gelernter Veterinär und erklärt zugleich, wie sich der Körper zusammensetzt.
Heute Abend kommt Besuch! Eine befreundete Familie aus Baku kommt vorbei und der Tisch füllt sich nach und nach mit einer Menge Leckereien. Obwohl die Unterhaltungen an diesem Abend meist in einer für uns leider unverständlichen Sprache statt finden, bekommen wir doch mit, dass wir und unsere Reise immer mal wieder Gesprächsthema sind.
Am nächsten Morgen brechen wir dann wirklich auf, mit der Vereinbarung eines Wiedersehens in Baku. Gerne!
Sturmflut
Tagesziel war es den vorletzten großen Berg vor Baku zu bezwingen. Die letzten Meter werden jedoch, von der Hitze völlig erschöpft, geschoben. Und so sind wir froh, als wir uns am höchsten Punkt direkt auf einer leicht abschüssigen Wiese neben einem Restaurant niederlassen dürfen. Der große Hirtenhund, der mehr einem Kalb ähnelt, zeigt schwanzwedelnd, dass er doch eher ein Teddy zum Knuddeln ist. Wir können erkennen, dass auf der Wiese bereits kurz zuvor ein Zelt gestanden haben muss. Wir stellen unseres aber nicht direkt an der selben Stelle auf, sondern etwas versetzt, geschützt unter einem kleinen Baum. Wie sich herausstellt, war das die richtige Entscheidung. Nur eine Stunde später fängt es heftig an zu Gewittern. Es regnet wie aus Eimern. Und die Wiese verwandelt sich zu einem Bach, dessen stärkste Strömung an der Stelle des Vorgänger-Zeltes herunterfließt. Glück im Unglück. Denn auch unter unserem Zelt fließt die braune Brühe unaufhaltsam Richtung Tal. Nur mit Mühe und einigen Niederlagen, gelingt es uns schließlich die Bodenplane an den Seiten des Innenzeltes so hochzuhalten, dass wir uns wie auf einem fliegenden Teppich fühlen. Nur, dass der Teppich, bedingt durch 140 Tage Reiseerfahrung, eine mittlerweile doch etwas löchrige Plastikplane ist, und wir nicht fliegen sondern schwimmen, wie auf einem Wasserbett. Das wird eine lange Nacht!