KAPITEL 38°C
KASACHSTAN




Wenn man morgendliche 29°Grad als angenehm kühl empfindet

Kasachische Steppe. Es ist heiss. Sehr heiss. So, als würde uns Jemand mit einem überdimensionalen Föhn Luft ins Gesicht pusten. Die Zunge klebt am Gaumen unseres ausgetrockneten Mundes, unser Körper ist eingestaubt. Das Wasser in unseren Trinkflaschen ist nicht gerade verlockend. Es ist schon nach kurzer Zeit so heiß, dass wir ernsthaft überlegen einen Teebeutel hineinzuhängen. So wirkt die Landschaft, trotz ihrer rauen Schönheit, um uns herum beinahe bedrückend. Kein Baum, kein Haus, keine Zuflucht vor der Sonne. Vor uns liegt scheinbar endlose Weite und eine glimmende schnurrgerade Straße. Von nun an heisst es morgens so früh wie möglich aus den Federn, Radeln was das Zeug hält und zur Mittagszeit Schutz vor der Sonne und der Hitze zu suchen.



Als wir in Baku vor einem Fahrradgeschäft warten mussten, weil die 3 Inhaber des Ladens gerade gen Mekka beteten, kamen wir ins Gespräch mit einem weiteren wartenden Kunden, der so angetan von unserer Reise war, dass er kurzerhand aus seinem Kofferaum wühlend zwei Strohhüte von Marlboro zauberte. Ohne es zu wissen machte er uns eines der besten Geschenke für die kommende Etappe. Soll nochmal jemand sagen, dass Marlboro gesundheitsschädlich ist.

Als wir in Baku vor einem Fahrradgeschäft warten mussten, weil die 3 Inhaber des Ladens gerade gen Mekka beteten, kamen wir ins Gespräch mit einem weiteren wartenden Kunden, der so angetan von unserer Reise war, dass er kurzerhand aus seinem Kofferaum wühlend zwei Strohhüte von Marlboro zauberte. Ohne es zu wissen machte er uns eines der besten Geschenke für die kommende Etappe. Soll nochmal jemand sagen, dass Marlboro gesundheitsschädlich ist.


Ob wir genug Wasser dabei haben?

Ob wir genug Wasser dabei haben?

WÜSTE

Die 100Km an einem Tag von Aktau bis zum Außenposten der Firma KARIERTAU dürften eigentlich zu schaffen sein. Wir sind gut erholt und solange der Wind von hinten bläst, und die Sonne noch nicht so stark scheint, dass die Haut anfängt verbrannt zu riechen, als würde man gerade aus dem Solarium kommen, müssten wir Taoshyq gegen Abend erreichen.
Als die Straße gegen 11 Uhr bei einem Tagesstand von 45 Km ins Landesinnere abbiegt, beschliessen wir unsere Mittagspause nach vorne zu verlegen und unser Lager am Meer aufzuschlagen, um dort auf das Nachlassen der Mittagshitze zu warten. Nach zwei Kilometern über eine sandige Piste zum Strand versinken unsere Räder schließlich vollends in den Dünen. Wir lassen sie zurück und laufen die letzten 100 Meter zu Fuß.







Anfangs führt die Strasse noch entlang des Kaspischen Meeres. Die holprige Abzweigung in Richtung des kühlen Nass und den Umweg von etwa 3 km nehmen wir dann auch gerne in Kauf.

Anfangs führt die Strasse noch entlang des Kaspischen Meeres. Die holprige Abzweigung in Richtung des kühlen Nass und den Umweg von etwa 3 km nehmen wir dann auch gerne in Kauf.

Man hat das Gefühl nicht zu schwitzen, aber die Sonne brennt so stark, dass der Schweiss direkt verdampft. Deshalb freuen wir uns um so mehr, als hinter der glimmenden Düne das kühle Meer auftaucht. Die wenigen Klamotten, die wir tragen sind schnell abgeworfen. Lediglich die Sandalen lassen wir an, da der Sand zu heiss ist. So heiss, dass man angeblich, so sagte man uns, Eier darin kochen kann. In freudiger Erwartung auf das kühle Nass hüpfen wir hastig ins Wasser…. AAAAAAAAAAHHHHHH!!!!!!! KRAMPFFF!!!! Wir haben mit Allem gerechnet, aber nicht mit Gebirgsbach-ähnlichen Temperaturen. In Sekunden haben sich unsere Fußzehen verkrampft und wir stolpern so schnell wie wir hinein gerannt sind wieder heraus. Nachdem wir uns von dem Schreck erholt haben, wagen wir einen zweiten Versuch. Nur sehr sehr langsam und mit viel Überwindung verschwinden wir schließlich bis zum Hals im Wasser. Wir wollten zwar Erfrischung, aber das ist ARSCH kalt!!!



Doch was man absolut nicht erwartet: Das Wasser ist eiskalt!!! Unsere Waden krampfen sich schmerzhaft zusammen. Egal.

Doch was man absolut nicht erwartet: Das Wasser ist eiskalt!!! Unsere Waden krampfen sich schmerzhaft zusammen. Egal.


Einziger Schutz vor der Sonne ist unsere Zeltplane...

Einziger Schutz vor der Sonne ist unsere Zeltplane...


SCHNEID DIR ENDLICH DIE HAARE!

SCHNEID DIR ENDLICH DIE HAARE!


Bis vier Uhr liegen wir anschliessend halb schlafend, halb dösend unter der wehenden Zeltplane, die wir zwischen unseren Rädern aufgespannt haben. Nur mit Mühe können wir uns motivieren weiterzufahren. Unsere Körper sind verklebt vom feinen staubigen Sand. Die Sonne hat etwas nachgelassen, aber der Schweiss verdunstet nun nicht mehr, sondern läuft in Strömen an uns herab. Literweise versuchen wir den Verlust auszugleichen, bis der Bauch uns gluckernd darauf aufmerksam macht am Limit zu sein. Der Mund bleibt Staubtrocken. Durch die verfrühte Mittagspause und den Wind, der sich nun unfreundlicherweise gedreht hat und mit voller Energie gegen uns bläst, werden wir es nicht bis zum vereinbarten Ziel schaffen. Etwas enttäuscht und frustiert nehmen wir das Handy in die Hand.
Gerade als wir Norlan anrufen wollen, um abzusagen, hält vor uns ein Wagen. Die Dame, die aussteigt ist unsere Chauffeurin vom Yachthafen. Sie deutet auf ihre Uhr. Wir versuchen ihr zu verstehen zu geben, dass der Wind zu stark ist, die Strecke zu weit, und wir hier campen. Doch sie versteht nicht. So stehen wir in schiefer Haltung, um gegen den Wind anzukämpfen in der untergehenden Sonne, jeder mit einem Telefon am Ohr, in der Hoffnung Jemanden zu erreichen, der übersetzen kann. Anara muss herhalten. Nach einigem Hin- und Herreichen des Telefons zwischen uns, Anara, der Frau und dem Mann ist die Entscheidung gefallen: Wir werden mit einem Kleintransporter abgeholt! Keine Widerrede. Der zerbeulte Corsa verschwindet. Wir stehen alleine in der Dämmerung und warten. Zwei Kasachen mit einem zur Hinrichtung verurteilten Schaf und einem Hund im Kofferraum leisten uns während der einstündigen Wartezeit Gesellschaft.
Als wir in dem Container-Camp ankommen, erwartet uns ein kleines Empfangskommitee. Es ist uns etwas unangenehm, denn es scheint so, als hätten wir den Herrschaften, ihren wohl gegönnten Feierabend geraubt. Zwei Damen mit Kochmützen springen, die Eine mehr, die Andere weniger begeistert, in einen der Container, in welchem wir kurz darauf auch noch ein Abendessen kredenzt bekommen. Die Gespräche reduzieren sich auf Grund der Sprachbarriere und unserer nun doch sehr fortgeschrittenen Müdigkeit auf ein Minimum. Dies wird aber am nächsten Morgen nachgeholt, nachdem wir dank Klimanlage eine wunderbar kühle Nacht in einem kleinen “Container-Hotelzimmer” verbracht haben.



Am Abend gibts Nudeln, am Morgen stärkenden Haferschleim. (Ich glaube ich hab noch nie in meinem Leben Haferschleim gegessen...schmeckt aber eigentlich lecker)

Am Abend gibts Nudeln, am Morgen stärkenden Haferschleim. (Ich glaube ich hab noch nie in meinem Leben Haferschleim gegessen...schmeckt aber eigentlich lecker)









Das kann in die Hose gehen

Von nun an sind wir auf uns alleine gestellt. Ein bisschen beunruhigt, was uns erwartet, aber auch gespannt und motiviert machen wir uns auf ins kasachische Arizona. Die eintönige, weite Landschaft ist faszinierend. Doch die Faszination schlägt schon nach kurzer Zeit in Frustration um. Über 500 Km bis zur nächsten größeren “Stadt”. Von da noch einmal 500 Km NICHTS! Klingt ja vielversprechend. Doch die Einöde wird ab und zu von Highlights durchbrochen. Ausgetrocknete Seen, deren Grund spröde wie alter Lack zerklüftet ist. Galoppierende Pferde-Herden (warum auch immer, schließlich ist es verdammt heiss und wenn wir nicht müssten, würden wir uns gar nicht bewegen.) über den seichten Hügeln Staub aufwirbeln. Und Kamele, die uns ziemlich dämlich dreinblickend begutachten.



Wasserloch

Wasserloch





Nach nur 40 Km Hitze und 2-3 Litern pisswarmen Teewassers, kommen wir in eine kleine Siedlung mit einem noch kleineren Laden, der zu unserer Freude eine Kühltruhe gefüllt mit Mirinda Limonade besitzt. Wir kaufen gleich zwei Liter Eisgekühltes und kippen hastig ohne zu schlucken gierig “das beste Getränk, dass wir je hatten” hinunter. Wir beschliessen zur Mittagspause noch etwas aus dem Dorf zu fahren, um dort ungestört bis 16/17 Uhr die heisseste Zeit des Tages unter der Plane zu verbringen und etwas zu schlafen. Kaum haben wir die Plane an einer offen liegenden Ölleitung befestigt, meldet sich unser Magen mit einem unheimlichen Grummeln. Da versuch mal einer auf die Schnelle in dem Nirvana einen Ort zu finden, den man als Toilette benutzen kann…
Die Magenprobleme begleiten uns noch den ganzen Tag. So schleppen wir uns lediglich bis zu einem kleinen Ort und nicht wie geplant in das noch zehn Kilometer weiter gelegene Städtchen Shepte. Einige Jugendliche zeigen uns eine Quelle wo wir unser Zelt aufschlagen können. Eine Quelle in dieser Trockenheit! Normalerweise ein Grund zum Jubeln, denn einen idealeren Zeltplatz kann man sich hier nicht vorstellen – doch wir wünschen uns nur noch Schlaf. Die Magenbeschwerden haben sich in unerträgliche Krämpfe verwandelt. Gekrümmt vor Schmerz fällt einem das Schlafen in dieser Nacht sehr schwer.



Keine wirklich erholsame Nacht...

Keine wirklich erholsame Nacht...


Yiiiihaaa! Jetzt bekommt der Drahtesel die Sporen zu fühlen...

Yiiiihaaa! Jetzt bekommt der Drahtesel die Sporen zu fühlen...









Das Wüstennest

Erschöpft von der unbarmherzigen Sonne und nach einer Kräfte zerrenden Nacht mit Bauchkrämpfen kommen wir in dem kleinen Wüstennest Shepte an. Wir hoffen nur noch auf eines: eine schattenspendende Unterkunft. Es ist kein großes Dorf und man kann davon ausgehen, dass sich hier wohl die meisten Menschen kennen dürften. Dennoch erhalten wir auf unser Fragen, nach einem Hotel, die verschiedensten Auskünfte, bis wir schließlich vor einem rosafarbenen Gebäude stehen. Wir versuchen die thailändisch anmutende Dame, welche nicht gerade so aussieht, als müsste sie Hungersnot leiden, von 8000 Tenge (ca. 40€) auf 6000 Tenge (ca. 30€) runterzuhandeln. Ihr großzügiger Kompromiss: Wir bekommen das Zimmer ohne Klimaanlage. Obwohl ich seit Stunden das dringende Bedürfnis habe, mich in eine Kühltruhe zu legen, stimmen wir, mit Rücksicht auf unser Budget, zu. Englisch spricht sie nicht, doch ein Wort kennt sie ganz genau: “Money!”, fordert sie mit aufgehaltener Hand, bevor sie uns den Zimmerschlüssel übergibt. Aus einer Nacht werden zwei und unser Magen bleibt weiterhin ein “Problemfall”.



Statt auf unserem klimatisierten Zimmer verbringen wir mehr Zeit an diesem stillen Ort...

Statt auf unserem klimatisierten Zimmer verbringen wir mehr Zeit an diesem stillen Ort...

Verstand und Ehrgeiz

Wir kauern im Schatten einer Tankstelle und sind immer noch unschlüssig, was wir machen sollen. Zug? Per Anhalter? Oder doch weiter radeln? Doch mit Blick auf die Uhr, deren Zeiger vereint auf der Zwölf stehen und in die hoch am Himmel brennende Sonne, fällt die letzte Option ins Wasser…äh…in den Sand. Die Lastwagen, welche von der rund 400km-langen Wüstenetappe zurückkehren und an uns vorbeirollen, geben uns einen Eindruck davon, was uns erwartet: Eine dicke Schicht aus feinem hellem Sand klebt an ihnen wie an einem paniertem Schnitzel. Ein Kleintranspoter hält vor uns. Ein junger Mann mit einem rundlichen Gesicht und mindestens genauso rundlichem Körper schiebt sich heraus und vor die uns blendende Sonne. Jammernd klagen wir dem Schattenspender unser Leid. Eh wir uns versehen brüllt er einem vorbei rauschenden Lastwagen ein tiefes dominantes “Hoooooooooouuuh!” hinterher. Wir sitzen hier schon seit Stunden ohne Erfolg. Sicher wird es auch beim ihm nicht klappen. Ein schrilles Quietschen. Eine gigantische Staubwolke. Langsam lichtet sich der Nebel – und da steht er! Der Lastwagen. Nun hören wir uns unsere Geschichte noch einmal auf Kasachisch an. Der Trucker schmeißt die Plane hoch und weist uns an die Räder in den staubigen Innenraum zu verfrachten… Somit ist die Entscheidung gefallen.







Der Fahrer nimmt sich viel Zeit unsere Fahrräder fest zu verzurren. Wir halten es beinahe für übertrieben, doch es stellt sich noch heraus, dass es nicht ohne Grund ist!

Der Fahrer nimmt sich viel Zeit unsere Fahrräder fest zu verzurren. Wir halten es beinahe für übertrieben, doch es stellt sich noch heraus, dass es nicht ohne Grund ist!





Wüstenschiffe

Das Fahrerhaus schaukelt wie ein Schiff, als sich der 12-Tonnen-Koloss in Bewegung setzt. Augenblicklich frage ich mich, ob es für meinen Magen die richtige Alternative zum Radfahren ist. Obwohl wir uns mit dem Fahrer kaum verständigen können, herrscht eine angenehme Sympathie zwischen uns und dem Mann. Nach allem, was wir auf Russisch und mit Hand und Fuss sagen können kehrt Stille ein. Doch da der Familienpapa – wie wir einem Foto entnehmen können – auch während der gesamten Fahrt kein Radio einschaltet, scheint er wohl lieber in Gedanken versunken oder auch gedankenlos und in Ruhe die eintönige Strecke zu absolvieren. Einzig über sein Funkgerät witzelt er ab und an mit Kollegen, die als sandige Staubwolke an uns vorbeiziehen.
Ich schaue aus dem Fenster. Anfangs noch fasziniert, interessiert und auf der Suche nach Etwas, was sich vom gelben Sand abhebt. Doch nach und nach wird der Blick müde, denn kein Haus, kein Kamel, kein Strauch ist mehr zu sehen – vor uns liegt eine sandige, weite Einöde…



Meditativ! Die Aussicht ändert sich die nächsten 15 Stunden nicht.

Meditativ! Die Aussicht ändert sich die nächsten 15 Stunden nicht.






Staubige Angelegenheit - Ralley Dakar ist doch ein Witz...

Staubige Angelegenheit - Ralley Dakar ist doch ein Witz...


Da kann man sich beruhigt eine Weile auf´s Ohr legen...

Da kann man sich beruhigt eine Weile auf´s Ohr legen...






Die einzige Erhebung auf 500 km Strecke...

Die einzige Erhebung auf 500 km Strecke...


Auch am Abend ist noch kein Ziel in Sicht...

Auch am Abend ist noch kein Ziel in Sicht...


Aussergewöhnlicher Schlafplatz: Auf dem staubigen Boden des Laderaumes. Nach fast 10 Stunden Fahrt haben wir 2/3 der Strecke geschafft. Morgen früh geht es weiter.

Aussergewöhnlicher Schlafplatz: Auf dem staubigen Boden des Laderaumes. Nach fast 10 Stunden Fahrt haben wir 2/3 der Strecke geschafft. Morgen früh geht es weiter.


Gute Nacht!

Gute Nacht!


Weiter geht´s...

Weiter geht´s...


Hier endet nun die staubige Fahrt

Hier endet nun die staubige Fahrt


Der Fahrer hilft uns sogar noch das Schutzblech zu reparieren. DANKE!

Der Fahrer hilft uns sogar noch das Schutzblech zu reparieren. DANKE!






Nach endloser Einöde zeigt sich nun Beyneu in der Ferne...

Nach endloser Einöde zeigt sich nun Beyneu in der Ferne...

Ruhe

Gegen Mittag passieren wir Beyneu, füllen unsere Wasser und Essensvorräte auf und ziehen weiter. Es ist unbeschreiblich. Diese endlose Weite. Die Strasse scheint kein Ende zu haben. Einzig die Strommasten, welche sich als gerade Linie entlang der schottrigen Piste bis zum Horizont ziehen erheben sich aus ihrem flachen eintönigen Umfeld…



Rote Sonnenuntergänge und ein unbeschreiblicher Sternenhimmel

Rote Sonnenuntergänge und ein unbeschreiblicher Sternenhimmel






Feierabend. Morgen werden wir die usbekische Grenze erreichen...

Feierabend. Morgen werden wir die usbekische Grenze erreichen...