KAPITEL 41: KASACHSTAN RELOADED
KASACHSTAN

Wieder in Kasachstan. Doch diesmal mit einer fantastischen Aussicht auf die Berge und einigen grünen Oasen.

Wieder in Kasachstan. Doch diesmal mit einer fantastischen Aussicht auf die Berge und einigen grünen Oasen.

Grenze

Usbekistan war nicht unser Land – Hitze, anstrengende Grenzkontrollen, Erschöpfung, Fieber und eine Mentalität, die uns oft sehr fremd war. Daher sind wir nicht wehmütig, als wir nach zwei Tagen Erholung und Auskurieren von Lorenas Mandelentzündung, Tashkent gen kasachische Grenze verlassen. Glücklicherweise ist die Grenze nur wenige Kilometer entfernt, denn die Uhr tickt: Morgen läuft unser Visum aus. So fahren wir gemütlich am Nachmittag los. Woraufhin unsere Gelassenheit direkt abgestraft wird: Ein Taxifahrer erklärt uns, dass die Grenze geschlossen ist und wir etwa 100 Km weiter westlich passieren müssen. Als er dann freundlich anbietet, uns gegen 50 USD dorthin fahren zu können, macht sich Skepsis breit. Wir lehnen ab (Eine wichtige Lektion der Reise: Glaube nicht Alles, was man dir erzählt!) und versuchen unser Glück. Schließlich sind wir nur noch 2 Km vom Grenzübergang entfernt. Tatsächlich ist die Strasse für Fahrzeuge gesperrt, doch ein Strom aus Menschen schiebt sich auf das Grenzgebäude zu. Wir steigen von unseren Rädern ab und schieben sie neben uns her. Nun fallen auch wir eindeutig in die Kategorie Fußgänger mit Gepäck, was auch die Beamten mit beiläufigem Kopfanheben zu bestätigen scheinen. Worüber sie jedoch nicht so einfach hinwegschauen können, ist die Lücke von Hotelaufenthalten in unseren Pässen. In Usbekistan, darf man sich nicht länger als 3 Tage ohne Hotelbuchung aufhalten, was mit dem Fahrrad nahezu unmöglich ist, da es Strecken von über 500 Km Niemandsland zu überwinden gilt. Wortlos verschwindet der Beamte mit unseren Pässen in einem Hinterzimmer. Nach einer Stunde bangendem Warten, ist auch die Traube hinter uns zu einer wütenden Meute angewachsen. Ein kleiner Knirps steht neben mir und schaut uns Kopfschüttelnd an. Eine Geste, die bei dem Kind recht ulkig wirkt, aber wohl das ausdrückt, was viele hier denken: “Diese Touristen halten mit ihren Fahrrädern und dem ganzen Gepäck nur alle auf!”
Es ist bereits dunkel, als wir endlich wieder kasachischen Boden unter den Füßen haben. Einer der Grenzbeamten ist besorgt um unsere Sicherheit und vergewissert sich, ob wir auch Licht an unseren Rädern haben. Haben wir, doch das Licht der zwei Fahrradlampen ist nur eine schwache Erleuchtung, wenn man nicht weiß, was da vor einem liegt: Kommt da ein Dorf? Oder vielleicht ein nettes Fleckchen Erde, für unser Zelt? Doch abgesehen von ein paar diffusen Lichtern, sehen wir nur das Schwarz der Nacht. Noch dazu sind wir etwas mittellos, lediglich mit ein paar usbekischen Sum bewaffnet. In der Dunkelheit leuchtet uns ein helles Licht entgegen. Ein Bankautomat! Problem Eins gelöst. Problem Nummer Zwei, nämlich das der Schlafplatzsuche, scheint auch sogleich erledigt, als eine dunkle Gestalt mit den Worten “gostinitsa – Unterkunft” auf ein paar Cafés in einem Hinterhof verweist. Dem Rat dieser Zwielichten Gestalt zu folgen, ist vielleicht nicht das, was einem die Eltern bei der Erziehung mit auf den Weg geben, doch erscheint es inmitten völliger Dunkelheit als hilfreicher Lichtblick. Die “Unterkunft” ist zwar ein Restaurant, doch wenn man die Tische zur Seite schiebt, findet man ein schönes Plätzchen zum Schlafen. Wir bekommen den restlichen Plov aufgewärmt (Zentralasiatisches Reisgericht mit Karotten und etwas Fleisch). Die Räder stellen wir samt Gepäck direkt neben unseren provisorischen Schlafplatz. Alles scheint, wenn auch etwas improvisiert, reibungslos zu Laufen… .
Plötzlich wandelt sich die Situation: Ein Reisebus trifft ein und zig Menschen mit Gepäck drängen sich in den Raum. Statt kühler Nachtluft hängt nun eine stickige, warme Wolke menschlicher Ausdünstungen in der Luft. Der überfüllte Reisebus, der darauf wartet über die Grenze nach Usbekistan zu fahren, macht in unserem “Schlafzimmer” eine kurze Rast wie man uns sagt. Wir haben bereits 22 Uhr doch an Schlafen ist erstmal nicht zu denken. Wir werden damit vertröstet, dass die Belagerung angeblich nur zwei Stunden dauert. Als sich um 5 Uhr morgens immer noch eine hitzig diskutierende Traube von Menschen um uns und unsere Fahrräder drängt, und wir immer noch kein Auge zugetan haben, reist uns der Geduldsfaden. Ohne ein Wort ergreifen wir die Flucht und rollen übermüdet und frustriert davon.



Die Grenze zwischen Kasachstan und Usbekistan

Die Grenze zwischen Kasachstan und Usbekistan


Die Nacht war kurz...

Die Nacht war kurz...


Eine schattenspendende Bushaltestelle. Sovjetische Architektur ist bekannt für ihre Blockbauten und funktionalles, spartanisches Design. So könnte man auch meinen, dass Bushaltestellen ganz nach diesem Motto gebaut wurden, mit einem universellen Design, einfach zu fertigen für die Massenproduktion. Doch dies ist nicht der Fall. Viel Mühe und Kreativität wurde in die kleinen Wartehallen gesteckt und je nach Region spiegeln sie Elemente der lokalen Traditionen, Geschichte oder Wirtschaft wider.

Eine schattenspendende Bushaltestelle. Sovjetische Architektur ist bekannt für ihre Blockbauten und funktionalles, spartanisches Design. So könnte man auch meinen, dass Bushaltestellen ganz nach diesem Motto gebaut wurden, mit einem universellen Design, einfach zu fertigen für die Massenproduktion. Doch dies ist nicht der Fall. Viel Mühe und Kreativität wurde in die kleinen Wartehallen gesteckt und je nach Region spiegeln sie Elemente der lokalen Traditionen, Geschichte oder Wirtschaft wider.





Shymkent

Was wäre die Reise doch so langweilig, ohne die alltäglichen Herausforderungen? Eine, die immer wieder lustig, spannend und abenteuerlich bleibt, ist die Suche nach dem Schlafplatz! Wir können keine Wiese finden, die nicht übersäht ist, mit kleinen Distelähnlichen Stachelpflanzen, welche nur darauf warten sich einen Weg durch das Profil unserer Räder zum Schlauch hin durch zu fressen. Wie über ein Mienenfeld laufend, versuchen wir unsere Räder im Slalom um sie herum zum auserwählten Schlafplatz zu schieben. Doch ohne Erfolg! Mit einer Pinzette operiere ich fachmännisch fünf der stachligen Biester aus dem Vorder- und zwei aus dem Hinterreifen. Timms Fahrrad hat es nicht ganz so schwer getroffen. Doch mehr können wir für unsere Patienten heute nicht mehr tun. Wir haben Hunger und sind müde.
In der Erwartung vier platte Reifen vorzufinden Strecke ich am nächsten Morgen den Kopf aus dem Zelt. Doch bis auf meinen Vorderreifen, sehen die drei anderen noch prall aus. So passieren wir kurze Zeit später die Stadttore von Shymkent.



Eine Stachelwiese...

Eine Stachelwiese...






Die Fahrräder durften mit ins Hotelzimmer. Nur der Weg dorthin ist etwas beschwerlich.

Die Fahrräder durften mit ins Hotelzimmer. Nur der Weg dorthin ist etwas beschwerlich.

Erst bei Nacht wird es allmählich angenehm und es herrscht ein reges Treiben auf den Strassen. Bedingt durch die heißen Temperaturen leben die Menschen in einem anderen Rythmus. Selbst die Kleinkinder tummeln sich bis spät in die Nacht in dem kleinen Vergnügungspark, welcher als eine Art Stadtzentrum dient. Wir genießen es zwischen Achterbahnradau, Kindergeschrei und dem süßen Geruch von Zuckerwatte und Popcorn zu sitzen und die vorbeiziehenden Leute zu beobachten.



Auf dem Weg ins 7D Kino... Der Film: Der Bierbäuchige ohne Gesicht

Auf dem Weg ins 7D Kino... Der Film: Der Bierbäuchige ohne Gesicht


Sehr beliebte Attraktion: Kinder in aufblasbare Kugeln stecken und treiben lassen

Sehr beliebte Attraktion: Kinder in aufblasbare Kugeln stecken und treiben lassen


So sieht Gegenwind aus!

So sieht Gegenwind aus!

Sonne, Wind und Stacheln

Motiviert machen wir uns nach der kleinen Erholhungsphase in Shymkent auf in Richtung Kirgisistan. Die etwa 500 km lange Strecke bis Bishkek sollte doch in fünf Tagen zu schaffen sein!? Doch der Wind hat andere Pläne. Man hat eine völlig schnurrgerade Strecke vor sich, von der man weiß, dass man sie im Normalfall mühelos mit 20 oder 25 Km/h fahren kann. Eine Art Autobahn, deren eine Fahrseite jedoch komplett für den Verkehr gesperrt ist. Während sich die Autos auf der einen Seite der Leitplanke drängen, haben wir eine eigene Strasse für uns allein. Doch der Gegner Wind verdirbt uns das Vergnügen und erschwerrt uns das Vorankommen trotz ansonsten optimaler Bedingungen erheblich.
Erschöpft rasten wir an einem sovjetischen Monument und hoffen, dass sich der Sturm legt und die Sonne hinter Wolken verschwindet – Ein unrealistisches Wunschdenken! Inmitten der sandigen Böen rollt eine leere Plastikflasche mit Hilfe des Windes wunderlicher Weise die Strasse hinauf, wird aber kurz darauf von einem riesigen Truck erfasst, was ihre Wundertat abrupt beendet.











Die Landschaft wird nach und nach immer hügeliger...

Die Landschaft wird nach und nach immer hügeliger...









Eine unerfreuliche Erfahrung

Lorena: Meist haben wir gute Erfahrungen mit den Menschen, die wir auf der Reise treffen. Leider gibt es immer und überall auch ein paar schwarze Schafe. In Usbekistan und Kasachstan sind dies mitunter Männer, die im Umgang mit europäischen Frauen ihre Manieren vergessen (vielleicht besitzen sie diese generell nicht). Als wir während der Mittagshitze an einer kleinen Tankstelle rasten, werde ich von einem jungen Mann auf die Toilette verfolgt. Er hat wohl “versehentlich” die Schilder für Mann und Frau verwechselt und steht plötzlich grinsend vor mir – die Toiletten hier sind mehr oder weniger offen und nur durch kleine Trennwände in den jeweiligen Räumen geteilt. Letztendlich ist die Situation recht glimpflich verlaufen und ich habe mich mit einem wütenden “F*** You” von dem Herren verabschiedet, dennoch braucht es einen Tag, bis ich mit dem Fluchen über diesen primitiven Affen aufhöre. (Was mir jedoch eine Menge Energie verleiht gegen den Gegenwind anzukämpfen). Zum Glück blieb das bisher die Ausnahme.







Wie weit wir heute kommen? Die Strasse ist recht flach. Doch der Gegenwind lässt nicht nach.

Wie weit wir heute kommen? Die Strasse ist recht flach. Doch der Gegenwind lässt nicht nach.










In regelmäßigen Abständen tauchen Oasen auf...

In regelmäßigen Abständen tauchen Oasen auf...


Es ist absurd: Wir schwitzen bei knapp 40 Grad und schauen auf schneebedeckte Berge!

Es ist absurd: Wir schwitzen bei knapp 40 Grad und schauen auf schneebedeckte Berge!


Es wird grüner und grüner

Es wird grüner und grüner


Und es gibt wieder Wasser. Aus den Bergen kommende Bäche kreuzen unseren Weg

Und es gibt wieder Wasser. Aus den Bergen kommende Bäche kreuzen unseren Weg






Komm! Ich kann Kirgisistan schon sehen!

Komm! Ich kann Kirgisistan schon sehen!