Der Tag der guten Taten
Regensburg, 01.März 2012
Wir kommen in Regensburg an. Die Meisten besichtigen diese Stadt wohl mit kulturellen Absichten. Unser Ziel ist jedoch ein Anderes: Wir wollen einen Döner! Auf unserer Suche nach Essbarem kommen wir wie es der Zufall will jedoch am Regensburger Dom vorbei und werfen doch einen kurzen Blick in die tiefgotischen, dunklen und spürbar eisigen aber auch absolut imposant wirkenden Gemäuer. Die Stille wird einzig durch das Kamera Blitzen einer Touristin unterbrochen. Als wir durch die schwere hölzerne Tür wieder heraus auf den Domplatz treten, ist mir als wäre der Frühling ausgebrochen. Unser Dönerjagdinstinkt leitet uns schließlich zielstrebig in eine kleinere Gasse. Kurz vor dem Ziel bekommen wir uns mal wieder in die Haare. Schließlich geht Timm in den syrischen Imbiss, ich rufe im zickig hinterher „Bring mir halt irgendwas mit, mir doch egal!“ und warte bei den Rädern. Glücklicherweise bleiben einige Passanten stehen und befragen mich zu den Rädern, woher wir kommen und unserem Reiseziel. Auch wenn wir all diese Fragen schon an die paar Dutzend mal beantwortet haben, zaubert es immer wieder ein Lächeln in unser Gesicht und wir freuen uns, das unsere Reiseart und unser Vorhaben auf Begeisterung und Interesse stößt. Es ist so, wie wir es uns gewünscht haben: Man kommt mit den Leuten in Kontakt. So auch mit dem Herrn, der mich schon eine Weile beobachtet hatte. „Sie werden sicherlich oft angesprochen?“ Als Timm mit dem Essen herauskommt, bin ich mit dem Mann mitten im Gespräch und habe keine Gelegenheit mehr, weiter auf ihn sauer zu sein. „Und wie lange bleiben Sie noch in Regensburg?“ Als wir ihm kauend erklären, dass wir eigentlich gleich weiter fahren wollen, ist er völlig entsetzt: „Regensburg ist so eine tolle Stadt, die muss man sich ansehen!“ Mit diesen Worten bietet er sich an uns eine kleine Stadtführung zu geben. Irgendwie skeptisch, überrascht und perplex von dem Angebot sagen wir: „Warum nicht“, und folgen ihm. Während uns unsere Besichtigung durch Regensburg´s Kirchen führt, durch verwinkelte Hinterhöfe und Gassen, auf ein Kaufhofdach mit Blick über die gesamte Stadt und schließlich zur berühmten Steinernen Brücke, sind wir uns immer noch unsicher, was wir davon halten sollen. „So und nun lade ich euch auf zwei Regenburger Rostbratwürste ein!“, sagt er als wir vor der ältesten Imbissbude Deutschlands stehen und verschwindet darin. Während wir unsere heißen Würstchen genießen, erzählt uns Herr Lex, dass er erst vor ein paar Tagen einen Vortrag von einem Paar besucht hat, welches auch mit dem Fahrrad um die Welt gereist ist. Und auch er selbst ist gerne mit dem Rad unterwegs. „Es sind nicht unbedingt die Städte und besuchten Orte, die in Erinnerung bleiben, sondern vielmehr die Begegnungen, die man hat.“ Wir verabschieden uns und bedanken uns – auch auf diesem Wege noch mal herzlich – für die besondere Art Regensburg zu entdecken und fahren über die steinerne Brücke weiter Richtung China… bzw. erst mal Richtung Straubing.
Als wir so dahinfahren, und noch darüber nachdenken, wie bereichernd es ist, solche selbstlosen und freundlichen Menschen zu treffen, und das man nun irgendwie verändert aus der Begegnung geht, fahren wir halb in Gedanken versunken an einem steckengebliebenen Auto vorbei. Der Fahrer gibt nicht auf. Die Räder graben sich immer tiefer in das Erdreich. Anhalten? Helfen? Weiterfahren? Motiviert aus der voherigen Begegnung entschließen wir uns für: Anhalten! Aus dem Wagen springt ein Bayer und ist sichtlich erfreut über unsere Hilfe: „Das gloab i jetzt nit! Das ist ja suboaa, dass ihr mia hoilft!“ (kein original akzentechter Wortlaut!) „Koan i euch noch auf ein Bier einloaden? Die Kneipe ist direkt um die Ecke!“ Wir blicken auf die Uhr. Durch die Stadtführung sind wir sowieso schon etwas später dran als geplant. Es sind die Begegnungen die zählen!
Nach einem großen Radler wollen wir eigentlich los. Immer wieder sagt er auf bayrisch, dass er es nicht fassen kann, dass es so nette Menschen gibt. Und kaum haben wir das Glas leer, würde er uns am liebsten noch ein Fass nachschenken. Wir einigen uns auf einen Obslter und verabschieden uns. Es ist mittlerweile halb fünf und nach Straubing noch dreißig Kilometer. Bei Nacht und Nebel erreichen wir um halb acht die Jugendherberge. Wir sind stolz auf die Leistung, aber auch fix und fertig vom zweistündigen Herumirren bei Dunkelheit und feuchtem nassen Nebelwetter.
Ordnung muss sein
Es ist eine Jugendherberge ganz im Sinne des ordentlichen Deutschen. Wohin man schaut begegnen uns fein säuberlich laminierte Hinweiszettel – rot, gelb, und blau – wie man sich ordnungsgemäß zu verhalten hat: „Nachtruhe ab 22.00 Uhr. Die Zimmer werden vor der Abreise kontrolliert. Keine Gegenstände aus den Fenstern werfen. Das Bad darf nicht mit Strassenschuhen betreten werden. Strenges Rauch- und Alkoholverbot“. Ja, ich fühle mich wieder ein wenig wie auf Klassenfahrt in der vierten Klasse!