Land der Berge
Hohe Erwartungen
Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Nach fast zwei Monaten eher eintönigem Flachland freuen wir uns nun wieder wahnsinnig auf die Berge. Auch wenn das für unsere Beine eindeutig mehr Arbeit bedeutet! Und es ist wieder einmal erstaunlich, dass sich nach der Grenze urplötzlich das Landschaftsbild wandelt. Es kommen mehr und mehr schneebedeckte Berge in Sicht, sandige Einöde wandelt sich in grüne Oasen und Bäche und Kanäle kreuzen immer wieder die Strasse.
Der erste Zeltplatz nach der Grenze: Alles ist grün und es gibt Wasser! (Wenn auch nur in kleinen Kanälen, die für Bewässerung von Tränken und Feldern angelegt wurden.)
Entlang der Strasse gibt es weiterhin leckere Melonen...
Auch wenn die Leute hier nicht viel haben, weigert sich der Mann standhaft uns für die Melone zahlen zu lassen. Dankeschön!
Bishkek
Die Stadt wirkt auf den ersten Blick nicht wirklich imposant. Und auch auf den Zweiten. Auch wenn sie die Hauptstadt Kirgisistans ist, ist sie mit nur ca. 900.000 Einwohner auch nicht besonders groß. Und aufgrund einer relativ kurzen Stadt-Geschichte hat Bischkek keine historischen Bauwerke. Die Stadt ist aus einer Karawanenstation an einem der Seidenstraße zugerechneten Weg durch das Tian-Schan-Gebirge hervorgegangen. 1825 ließ der usbekische Khan von Kokand hier eine Lehmfestung erbauen, die aber bereits 1862 von russischen Soldaten im Zuge der russischen Eroberung Zentralasiens eingenommen und zerstört wurde. Die von den Russen an der gleichen Stelle gegründete Garnison wuchs durch den Zuzug russischer Bauern, denen hier fruchtbarer Schwarzerdeboden zur Verfügung gestellt wurde, schnell an. 1878 wurde eine Stadt mit dem Namen Pischpek gegründet.
Heute ist Bischkek eine lebhafte und in vieler Hinsicht moderne Stadt mit vielen Restaurants und Cafés und einem dichten Straßenverkehr, in dem zahllose Gebrauchtwagen aus Westeuropa und Überbleibsel aus sowjetischer Produktion unterwegs sind. Planmäßig im Schachbrettformat ausgelegt, ist es eine Stadt mit breiten Boulevards, marmorverkleideten öffentlichen Gebäuden und massigen Wohnblocks in typisch sowjetischer Bauart. Fast alle Straßen in der Kernstadt sind beidseitig von Bewässerungskanälen flankiert, welche die zahllosen Bäume bewässern, die im heißen Sommer Schatten spenden und dem ansonsten recht farblosen Stadtbild zumindest im Sommer einen lebendig-fröhlichen Charakter geben.
Unser kleines Highlight: Wir essen seit langer Zeit endlich mal wieder einen saftigen, leckeren Cheeseburger mit knusprigen Pommes! Jeder der uns dabei sieht mag denken “diese dämlichen Touristen. Fliegen in ein anderes Land – und was essen sie? Keine landestypische Kost sondern Fast Food!!!” Aber es ist genau das, was wir gerade brauchen!
Nachdem wir die erste Nacht in einem Hotel direkt am belebten Westbusbahnhof verbringen, ziehen wir zu Maki und Stephen um. Die Beiden sind selbst Reisende, die sich nur für zwei Monate in Bishkek eine feste Bleibe gesucht haben, um hier russisch zu lernen. Über die Plattform “couchsurfing.com” haben wir sie angeschrieben, da der aus Lousiana/USA stammende Stephen in seinem Profil angegeben hat, dass er selbst schon viel gereist ist: China, Turkmenistan, Georgien, Afghanistan – Moment!!! – Als Amerikaner im Afghanistan? Das wollen wir gern genauer wissen! Bei einem der schönen geselligen Abende quetschen wir die Beiden übere Ihre Reise nach Afghanistan aus, denn tatsächlich ist es ohne Probleme möglich ein Touristenvisa für Afghanistan zu bekommen und auch die Menschen sind ihnen alle freundlich und interessiert begegnet.
An jedem der 4 Tage, die wir bei den Beiden zu Gast sind, werden wir mit leckerem Essen verköstigt!
Wie im Hotel - Maki und Stephen verwöhnen uns. DANKE!
Erledigungen
Wir beantragen das Visum für unser Zielland: China! Und damit, das wohl Schwierigste. Denn Fahrrad Reisende sind in chinesischen Botschaften keine gern gesehenen Gäste. Zumindest sagen das viele Meinungen in Internetforen. Doch wir trauen uns nicht, es auszutesten und erwähnen unser Vorhaben lieber nicht. Schließlich wollen wir es nicht verweigert bekommen in unser Zielland einreisen zu dürfen. So geben wir im Antrag lediglich an, die Städte Kashgar, Urumqi und Beijing besuchen zu wollen. Diesen geben wir bei Miss Liu ab. Eine Mitarbeiterin des Avia Travel Club, die wir ebenfalls über das Internet ausfindig gemacht haben und wohl eine hohe Erfolgsquote bei der Beantragung chinesicher Visa hat. So weit recht einfach. Jetzt beginnt das bangende Warten.
Um unsere Vorräte aufzufüllen und kleine Besorgungen zu machen, fahren wir auf den Dordoi-Bazar. Unter anderem ist uns eine Zeltstange durch einen “Bedienungsfehler” gebrochen (man sollte besser nicht versuchen zur Reinigung, sein Zelt auszuschütteln!). Doch der Bazar ist riesig, es gibt “Abteilungen” für nahezu Alles, doch den Bereich Outdoor und Camping können wir nicht ausfindig machen. Der Markt besteht aus meist doppelstöckigen Containern und erstreckt sich über eine länge von fast 2 Kilometern. Typischerweise wird der untere Container als Verkaufsladen verwendet, der Obere als eine Art Lagerhalle. Eine Reportage von 2005 sagt, dass der Bazar aus etwa 6.000 – 7.000 Containern besteht und um die 20.000 Leute dort arbeiten.
Hier findet man Alles - wenn man weiß wo, denn der Bazar ist riesig!
Auf dem Bazar Dordoi. Eine riesige Stadt aus Schiffscontainern
Atelier
In der Visa-Agentur haben wir den Kirgisen Khalil getroffen. Eigentlich eine Begegnung wie viele andere, doch es ist immer schön, einen englischsprachigen Einheimischen kennen zu lernen, denn man mit angestauten Fragen löchern kann. Auch er ist froh über unser Zusammentreffen, da er nun sein Englisch trainieren kann, denn er redet viel und gerne. Mehr aus Höflichkeit, als aus Interesse besuchen wir Khalil am nächsten Tag in seiner Werkstatt, doch wir bereuen es nicht. Stolz zeigt er uns seine Werke, denn Khalil ist Künstler. Aus allerlei Materialien, meistens Horn und Knochen, schnitzt, feilt und schleift er kreative und eindrucksvolle Figuren, die leider nicht in unserem Budget liegen. Als ich jedoch die vielen Gerätschaften vor mir sehe, kommt mir der Gedanke, dass wir hier unsere Zeltstange reparieren könnten. Und siehe da, nach nicht mal einer halben Stunde haben wir zusammen einen fast gleichwertigen (wenn auch sehr viel schwereren) Ersatz gefertigt. Dank dir Khalil für deinen Einsatz! Und unser Zelt ist jetzt sozusagen ein Kunstobjekt.
Einblicke in das Atelier eines kirgisischen Künstlers
Khalil fertigt Möbel, Figuren und allerelei Anderes aus kirgisischen Tier- und Naturmaterialien
Ein handgefertigter Spieltisch. Er bekommt hierfür einen Wert von etwa 5.000 USD und arbeitet drei Monate daran. Allerdings ist die Ausfuhr schwierig, da der Tisch aus Walnussholz gemacht wurde, welches inzwischen in Kirgisistan geschützt wird.
Die Nachbarn sind es gewohnt, dass ab und an Pfeile aus der Tür geschoßen werden.
Stolz zeigt er uns sein Portfolio...
Weg nach Issik-Köl
Nach Bishkek geht es kontinuirlich ansteigend in Richtung des Sees Issik-Köl. Etwa 200 Kilometer und 1000 Höhenmeter. Klingt anstrengend. Doch uns erwartet eine Überraschung: Das erste Mal auf der Reise, wird der Wind zu unserem Freund und stärkt uns den Rücken. So fliegen wir streckenweise mit 25 km/h die Strassen hinauf und radeln locker in zwei Tagen zum lang ersehnten kühlen Nass. Wir können es kaum erwarten hinein zu springen!
Wir verlassen die Stadt und brechen auf in Richtung Issik-Köl. Auf die Frage, ob es dorthin auch einen Bus gibt, konnten die Esel leider keine Antwort geben. Na dann aus eigener Kraft.
Kirgisisches Freibad: Kinder, die in einem schmuddeligen Kanal baden, aber jede Menge Freude dabei haben.
Am Fluss Chu entlang geht es in Richtung des Sees Issik-Köl.
Jeden Tag erklimmen wir etwa 500 Höhenmeter in Richtung des "Bergsees".
Issik-Köl
Der Issyk-Köl, der größte See Kirgisistans befindet sich im Nordosten des Landes. Der See liegt in 1.600 m Höhe und ist etwa 6.200 Quadratkilometer groß (damit 11 mal so groß wie der Bodensee in Deutschland). Sein kristallklares, leicht salziges Wasser erreicht 670 m in der Tiefe. Mit 170 km Länge und 70 km Breite ist Issyk-Köl der zweitgrößte Gebirgssee der Welt nach dem Titicacasee in Südamerika. Das Wort “Issyk-Köl” bedeutet im Kirgisischen “heißer See”, weil er vermutlich aufgrund heißer Quellen im Winter nicht zufriert. Der See hat eine Menge Zuflüsse, aber keinen Abfluss. Die Kirgisen sind sehr stolz auf ihren See und beinahe jeder empfiehlt uns, unbedingt dorthin zu fahren. Mit seinen Stränden aus feinem Sand ist der See ein sehr beliebter Urlaubsort.
Wir suchen nach einem windgeschützten Plätzchen, denn der Wind bläst weiter. Nachdem wir uns eine Weile am Ufer entlanggetastet haben, finden wir ein großes Grundstück, welches von einer hohen Mauer umzäunt ist. Ein perfekter Schutzwall! Doch als wir uns erneut dem Ufer nähern, stellen wir fest, dass auch bereits Andere auf diese großartige Idee gekommen sind. Drei kleine Zelte und einige Fahrräder stehen auf der Wiese inmitten der herrlichen Kulisse des in der Sonne glitzernden Sees inmitten der Berge. Vier Franzosen und ein Engländer.
Das der See soooo groß ist, hätten wir nicht gedacht!
Der inofffizielle Campingplatz ist Treffpunkt für Radreisende
Es macht immer wieder Spaß andere Räder zu begutachten
Paul aus England
So lässt es sich arbeiten.
Baden im See vor der Kulisse schneebedeckter Berge