KAPITEL 17: FAULE EIER ZU OSTERN
RUMÄNIEN

Wenn Zeichensprache an ihre Grenzen stößt: Einer der Männer drückt mir sein Handy in die Hand.

Wenn Zeichensprache an ihre Grenzen stößt: Einer der Männer drückt mir sein Handy in die Hand.

Orsova

Ein Penny Markt in Orsova. Auf den ersten Blick wirkt dieser sehr vertraut. Doch schon beim Eintreten stelle ich fest, dass ich versuchen muss, meinen deutschen Sinn für Ordnung zu unterdrücken. Überall stehen die riesigen Einkaufswagen in den viel zu engen Gängen kreuz und quer und es herrscht ein wahres Durcheinander. Ich atme einmal tief durch und füge mich in das Chaos ein. Als ich nach einer geschlagenen halben Stunde endlich wieder heraus komme, hat sich über uns eine graue Ansammlung von Wolken gebildet. Bis der erste Tropfen fällt, ist es wohl nur noch eine Frage von Minuten. Dabei wollten wir heute noch ein ganzes Stück weiter, weg von der Donau in Richtung des rumänischen Gebirges – den Karpaten – fahren. Auch wenn es für uns ein “Umweg” ist, wollen wir die Chance die sagenumwogenen Berge zu sehen nicht ungenutzt lassen, wenn wir schon einmal in greifbarer Nähe sind. Die schneebedeckten Gipfel, die wir bereits von der Ferne aus erahnen konnten, haben uns Lust auf Mehr gemacht. Und Timms Traum war es schon lange, mit seinen Brüdern dort zu Wandern. Doch die einzige Strasse, die in Richtung der Karpaten führt, ist auf unserer Karte als Autobahn oder Bundesstrasse eingezeichnet und wir sind uns nicht sicher, ob sie mit unseren Rädern befahrbar ist. Vielleicht sollten wir für heute in Orsova bleiben, um Morgen früher und besser informiert in die Berge aufzubrechen! Doch das kleine Hostel bei dem wir unser Glück versuchen hat geschlossen. Ein älterer Mann bemerkt, dass wir auf der Suche nach einer Unterkunft sind und versucht uns ohne viel Erfolg auf Rumänisch weiter zu helfen. Ein Zweiter kommt hinzu und wir schaffen es zumindest, den Beiden anhand von Zeichensprache und der Landkarte zu erklären, woher wir kommen, was wir vorhaben und dass wir heute Nacht eine Unterkunft suchen. Der kleine, ältere Herr ist völlig aufgelöst und wiederholt fassunglos immer wieder die Wörter “China”, “bicicleta”. So bildet sich schnell eine Traube von Männern um uns, die wild diskutieren, bis uns Einer schließlich ein Telefon entgegen hält. Timm geht dran und sagt überrascht: “Oh, Sie sprechen ja Deutsch!” Anscheinend gibt es im Ort eine Pension, die von einem Deutschen geführt wird und an den wir nun vermittelt wurden. Wer weiß wozu es gut ist. Vielleicht kann er uns weiter helfen, bezüglich der Routenplanung für die Karpaten. Die Unterkunft ist wirklich schön und direkt an der Donau gelegen, doch wirkliche Hilfe erhalten wir nicht. So starten wir am nächsten Morgen genauso schlau wie vorher.



Der eher pessimistisch eingestellte gebürtige Wolfsburger klärt uns über Rumänien auf.

Der eher pessimistisch eingestellte gebürtige Wolfsburger klärt uns über Rumänien auf.


Deutsche Ordnung mit rumänischer Aussicht

Deutsche Ordnung mit rumänischer Aussicht

Baile Herculane

Baile Herculane

Mit dem Fahrrad durch die Karpaten

Das klingt nach Anstrengung, doch vielleicht können wir unsere Räder an einem sicheren Ort deponieren, um einen Tag zu Fuß die steileren Regionen des Landes zu erkunden. Die Strasse windet sich steil nach oben und wir werfen einen ersten Blick auf Baile Herculane. Wir wollen uns allerdings nicht weiter in der Stadt aufhalten, da sie als sehr touristisch gilt und wir eher auf der Suche nach einsamer Natur sind. Also schnell ein Foto und weiter gehts. Kurz bevor wir den Ortsausgang passieren sehen wir links von uns, auf der anderen Seite des Flusses, eine Person in der Felswand hängen. Ein Kletterer! Da wir beide vom Klettern begeistert sind, wollen wir uns das Ganze natürlich aus der Nähe anschauen. Und vielleicht kennen die sich ja aus, wo man am besten wandern kann. Eine Gruppe junger Leute sitzt dort in Kletterausrüstung und beobachtet uns neugierig als wir angerollt kommen. Auf unsere Frage hin, ob sie sich hier in der Gegend auskennen, fangen sie an zu Grinsen und wir können unser Glück kaum fassen, als uns einer der Jungs erzählt, dass sie für die rumänische Bergwacht arbeiten und sich daher ganz besonders gut in dem Gebiet auskennen. Zufall?




“Wollt ihr auch mal?” Überrascht schauen wir ihn an. Klar wollen wir!!! Und kurz darauf hängen wir in der Wand. Dass wir die Chance haben würden, in den Karpaten zu klettern, hätten wir niemals gedacht! Es ist schon komisch. Gerade ich bin beim Klettern immer sehr vorsichtig und ängstlich. Dennoch fühle ich mich sehr sicher, als ich von dem mir eigentlich völlig fremden Hardy gesichert werde. Endlich werden die Armmuskeln, welche auf der Reise allmählich verkümmern mal wieder benutzt. Allerdings mit dem Ergebnis, dass wir nach nur einer Route schon recht dicke Unterarme haben.


Timm: Ich bin überglücklich, endlich ein mal wieder kalten, kantigen Stein in meinen Händen halten zu können. Mit Hilfe der überschwänglich gastfreundlichen rumänischen Clique, welche mir die Route von unten zurufend erklärt, bin ich schneller oben, als mir lieb ist. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Klettern auf der Reise so fehlen wird.
Hardy und seine Jungs, klären uns über Baila Herculane auf und zeigen uns ein kleines Becken am Fluss, was mit heißem Quellwasser gespeißt wird, welches direkt aus dem Felsen kommt, den wir gerade beklettern durften. Fantastisch!



Ein vertrautes Gefühl

Ein vertrautes Gefühl


Klettern und danach je nach Geschmack und Wetter ein warmes oder kühles Bad.

Klettern und danach je nach Geschmack und Wetter ein warmes oder kühles Bad.

Eigentlich wollten wir heute noch ein ganzes Stück weiter fahren, doch wir fühlen uns inmitten der Leute ausgesprochen wohl und so beschließen wir – ungeplanter Weise – doch eine Nacht in Herculane zu verbringen.
Es wird langsam Abend und wir haben noch keinen Schlafplatz. Die Jungs bieten uns an, mich zu einem kleinen Campingplatz in der Stadt zu fahren, um heraus zu finden, ob dieser bereits geöffnet hat. Lorena bleibt mit den Mädels und den Fahrrädern zurück. Wir fahren durch Herculane, vorbei an größtenteils zerfallenen, aber unglaublich majestätisch wirkenden Gebäuden, welche zeigen, was für eine prunkvolle Stadt dies einst gewesen sein muss.














Baile Herculane: Auf einer Länge von vier Kilometern werden 16 Thermalquellen verschiedener mineralischer Zusammensetzung genutzt; es gibt natriumchlorid-, bikarbonat-, und kalzium-haltige sowie brom-, jod- und schwefel-haltige Quellen zwischen 38 und 67 °C. Die Existenz der Siedlung ist seit dem Jahr 153 durch eine römische Inschrift bezeugt. In der Zeit des Römischen Reiches war Herkulesbad ein wichtiger Kurort, der dem griechisch-römischen Gott Herakles gewidmet war. Nach der Vertreibung der Römer sank die Bedeutung des Ortes. Der moderne Kurbetrieb begann mit der Inbesitznahme des Banats von den Türken durch Österreich-Ungarn im Jahr 1718. Damals wurden durch den Feldmarschall Hamilton neue Bäder angelegt. Im Jahr 1811 wurden 944 Kurgäste gezählt, 1830 waren es 1431. Die Kurgebäude errichtete man in österreichischem Barockstil. Im 18. und 19. Jahrhundert besuchten mehrere österreichisch-ungarische Herrscher den Ort, unter anderem Sissi mit ihrem Gemahl Franz Joseph I. Baile Herculane ist heute einer der bedeutendsten Kurorte Rumäniens.


Der Glanz vergangener Tage.

Der Glanz vergangener Tage.







Der Cerna Fluss zieht sich durch das schmale Städtchen.

Der Cerna Fluss zieht sich durch das schmale Städtchen.


Blick von Herculane in Richtung Domogled.

Blick von Herculane in Richtung Domogled.






Der Campingplatz

Beim Campingplatz, welcher aus einigen kleinen Bungalows besteht, bekommen die Jungs von der Bergwacht einen Notruf. Mit Blaulicht heizt der Landrover durch die schmalen, holperigen Strassen zurück zu Lorena und den Rädern, um mich dort wieder abzusetzen. Während ich auf der Rückbank hin und her rutsche, tauschen wir noch schnell die Telefonnummern aus und verabreden uns für den Abend auf ein Bier. Den Weg zum Campingplatz finde ich nun alleine. Leider treffen wir trotz langem Warten und lautem Rufen Niemanden an. Wir beschließen nach kurzem Zögern wenigstens schon einmal mit dem Abendessen zu beginnen. Vielleicht taucht die zuständige Person ja doch noch auf! Auf der überdachten Veranda eines Bungalows machen wir es uns auf einer verschlissenen, alten Couch gemütlich, als plötzlich ein stämmiger Mann im Bademantel vor uns auftaucht. In perfektem britischem Englisch, erklärt er uns, dass der Campingplatz Betreiber vorherige Woche verstorben sei, wir aber ohne Probleme hier Zelten können. Entschlossen lädt er uns ein, unser Zelt in der Nähe seines Caravans aufzuschlagen und unser Abendessen in seinem Vorzelt “einzunehmen”. Die Einladung nehmen wir gerne an, da es gerade mächtig anfängt zu Regnen. Seine Frau Mike empfängt uns ebenfalls sehr herzlich und als Highlight bekommen wir noch zwei Becher Rotwein zu unserem Essen serviert.



Der Campingplatz in Baile Herculane

Der Campingplatz in Baile Herculane

Abend

Hardy und seine Freundin Nicole haben uns mit rumänischer Pünktlichkeit irgendwann zwischen 21 und 24 Uhr abgeholt. In der kleinen Bar im alten Stadtteil treffen wir die Anderen wieder und noch ein paar weitere Freunde. Unser Vorhaben wird bewundert. Aber auch hier scheinen wir nicht die Ersten zu sein. Vor ein Paar Jahren ist ein Pärchen zu Fuß durch dieses Städtchen gekommen. Sie waren auf dem Weg von Norwegen nach Griechenland. Nach 8000km mussten sie ihr Vorhaben allerdings aus gesundheitlichen Gründen in Herculane abbrechen. Dann geht die Tür auf. Ein Mann kommt herein und Hardy flüstert uns zu: “Das ist der Boss!” Der Boss bergrüßt uns überraschenderweise mit “Guten Abend!” Valentin spricht fließend Deutsch, da seine Großmutter österreischicher Abstammung ist.
Wir haben das Gefühl, dass die Leute hier alle sehr bemüht darum sind, Herculane wieder zu dem zu machen, was es einmal war: Die Perle Rumäniens. Auch wir sind inzwischen begeistert von der kleinen Stadt, die am Rande der Karpaten gelegen der perfekte Ausgangsort für jeden Outdoorbegeisterten ist. Noch dazu eine Vielzahl von heißen, heilenden Quellen. Was will man mehr? Das einzige, was fehlt, ist wohl ein Investor, welcher an der Wiederherstellung der einstmals wunderschönen Gebäude interessiert ist.



Unterwegs bei Nacht

Unterwegs bei Nacht


Wir lernen Vali kennen.

Wir lernen Vali kennen.




Zum Frühstücken sind wir in das Vorzelt von Dan und Mike eingeladen

Zum Frühstücken sind wir, wie die folgenden Tage, in das Vorzelt von Dan und Mike eingeladen

Ostersamstag

Um neun Uhr sind wir bei Dan und Mike im Caravan zum Frühstück eingeladen. Die beiden sind äußerst herzlich und Dan ist ein wahrer Geschichtenerzähler. Wir werden schon fast skeptisch bei so viel Gastfreundschaft. Hier muss doch etwas faul sein? Aber das Einzige, was hier faul ist, ist wahrscheinlich tatsächlich nur der Geruch, der überall in der Luft hängt. Kurz darauf steht schon der silberne Geländewagen vor dem Zelt. Valentin hat ein Tag-füllendes Programm für uns zusammen gestellt. Eine Tour mit dem Defender entlang des Cerna Flusses, welcher durch Herculane fließt und in Orsova in die Donau mündet, Besichtigung einer Klamm und des Stausees und anschließend ein heißes Schwefelbad in Herculane. Klingt gut! Das Programm hat auch Dan, Mike und seine zwei Freunde hellhörig gemacht. Spontan entschliessen sie sich, uns mit ihrem Fahrzeug zu begleiten. Wir machen uns auf den Weg in Richtung der Quelle des Flusses. Der Defender zeigt was er kann, denn die Strasse entwickelt sich zum Feldweg mit allerlei Geröllbrocken und Schlaglöchern (oder gibt es das Wort Schlaggraben?). Der Dacia kommt kaum hinterher und wir beschließen schließlich, alle im Defender Platz zu nehmen. So muss für den Rest der Fahrt Timms Schoß herhalten. Ich stelle fest, dass es nur halb so schön ist, mit dem Auto durch die atemberaubende Schlucht zu fahren, wie mit dem Fahrrad. Die Geschwindigkeit ist einfach zu schnell und man hat nicht die Zeit an einem schönen Platz für einen Moment inne zu halten. Dennoch ist es bei strömendem Regen natürlich äußerst angenehm, nicht über Stunden draußen sein zu müssen. Der Boden ist inzwischen so aufgeweicht, dass ein Vorankommen mit dem Fahrrad eine wirkliche Strapaze geworden wäre. Valentin unterhält uns auf der Fahrt immer wieder mit dem ein oder anderen Witz und zeigt, dass die Rumänen es durchaus verstehen, sich selbst gerne mal auf die Schippe zu nehmen:


Rumänischer Witz: “Gott? Warum hast du Ägypten nur Sand gegeben? Grönland nur Eis? Doch Rumänien hast du die Berge gegeben, das Meer, die Donau, Gold und Mineralschätze. Warum?” Darauf antwortet Gott: “Ja, das stimmt! Aber warte bis du siehst, welches Volk ich dem Land dafür gegeben habe!”






Vali unterhält uns mit Geschichten und Witzen rund um Rumänien

Vali unterhält uns mit Geschichten und Witzen rund um Rumänien


Entdeckungen entlang der Strasse in Richtung der Cerna Quelle

Entdeckungen entlang der Strasse in Richtung der Cerna Quelle


Das Wetter spielt heute nicht mit. Die Landschaft ist trotzdem beeindruckend.

Das Wetter spielt heute nicht mit. Die Landschaft ist trotzdem beeindruckend.














Auf der Staumauer des Cerna Stausee

Auf der Staumauer des Cerna Stausee


Drei Männer sterben wegen ihrer Liebe zu Autos. Der Italiener, der Deutsche und der Rumäne stehen nun vor Petrus an der Himmelspforte. Petrus sagt: "Bevor euch der Eintritt gewährt wird, müsst ihr mir den Grund eures Todes nennen." Der Italiener: "Ich habe mir einen Lamborghini gekauft und bin mit 340 km/h aus der Kurve geflogen." Petrus: "Ok, komm rein." Der Deutsche: "Auf der Autobahn ist ein Geisterfahrer mit meinem Porsche zusammen gestoßen!" Auch er tritt herein. Dann kommt der Rumäne. Petrus: "Was ist dir passiert?" Rumäne: "Ich habe mir den neuen Q7 gekauft und bin danach verhungert."

Drei Männer sterben wegen ihrer Liebe zu Autos. Der Italiener, der Deutsche und der Rumäne stehen nun vor Petrus an der Himmelspforte. Petrus sagt: "Bevor euch der Eintritt gewährt wird, müsst ihr mir den Grund eures Todes nennen." Der Italiener: "Ich habe mir einen Lamborghini gekauft und bin mit 340 km/h aus der Kurve geflogen." Petrus: "Ok, komm rein." Der Deutsche: "Auf der Autobahn ist ein Geisterfahrer mit meinem Porsche zusammen gestoßen!" Auch er tritt herein. Dann kommt der Rumäne. Petrus: "Was ist dir passiert?" Rumäne: "Ich habe mir den neuen Q7 gekauft und bin danach verhungert."


67°C schwefelhaltiges Wasser. Damit man darin Baden kann, wird kaltes klares Quellwasser untergemischt. Anfangs doch etwas gewöhnungsbedürftig, am Ende aber ziemlich entspannend. Abduschen darf man sich dannach allerdings nicht, und so muss das nach faulen Eiern riechende Wasser am Körper trocknen, damit es seine volle Wirkung entfallten kann.

67°C schwefelhaltiges Wasser. Damit man darin Baden kann, wird kaltes klares Quellwasser untergemischt. Anfangs doch etwas gewöhnungsbedürftig, am Ende aber ziemlich entspannend. Abduschen darf man sich dannach allerdings nicht, und so muss das nach faulen Eiern riechende Wasser am Körper trocknen, damit es seine volle Wirkung entfallten kann.

Die Osternacht

Den Abend verbringen wir wieder in der Bar. Beinahe vertraut kommt es uns vor, als wir in die uns bereits bekannten Gesichter von gestern schauen. Um kurz nach zwölf ist von draußen ein orientalisch anmutender Gesang zu hören. Wir gehen hinaus auf den Platz und sind umringt von einem Meer aus Lichtern. Es ist die Orthodoxe Osternacht! Ein schönes Erlebniss und ich bin überrascht, wie viele Menschen dem Brauch folgen und dass das kleine Städtchen doch eine Menge Einwohner zu haben scheint. Erst um drei Uhr fallen wir in unsere “Betten”. Es schläft sich extrem entspannt, wenn man weiß, dass man zum Schutz einen Fuchs und einen Bären als Nachbarn hat! Die Erklärung hier zu, folgt allerdings erst im nächsten Bericht!







Wandern am Ostersonntag

Die Nacht war kurz. So brechen wir am Ostersonntag erst gegen ein Uhr in Richtung des auf 1100 Meter hoch gelegenen Gipfels auf. Es ist herrlich mit Nicole und Hardy unterwegs zu sein. Wir stellen fest, dass wir viele gemeinsame Interessen haben und marschieren mal quatschend mal still schweigend immer höher den Berg hinauf. Es kommt uns vor, als würden wir uns schon eine ganze Ewigkeit kennen. Unterhalb liegt die Stadt Herculane, die mit jedem Schritt kleiner wird. Als wir den Gipfel erreichen sind wir umhüllt von einer grauen nebligen Wolkenmasse. Dennoch fühlt es sich toll an, hier oben zu stehen. Nach einem kalorienreichen Picknick brechen wir querfeldein auf der weniger steilen Rückseite des Berges in Richtung “Heimat” auf. Hardy, der schon als kleines Kind mit seinem Vater viel in den Wäldern und Bergen Rumäniens unterwegs war, kennt sich perfekt aus. Im Städtchen Herculane scheint Hardy’s Vater so etwas wie eine lebende Legende zu sein. Mein linkes Knie fängt schon nach wenigen Metern des Abstiegs an höllisch zu Schmerzen und ich frage mich warum drei Orthopäden keine Problematik festgestellt haben. Das kann doch nicht von Nichts kommen. Doch Maulen hilft nicht, denn wir müssen vor der Dunkelheit wieder unten sein. Hardy wird etwas nervös, da wir keine Taschenlampen dabei haben, und er wahrscheinlich aus vielen Rettungsaktionen weiss, wie gefährlich die Dunkelheit in den Bergen sein kann.



Wir "starten" unsere Wanderung am weißen Kreuz hoch über Herculane (Bis hierher sind wir schon etwa 1 Stunde unterwegs). Die Legende besagt, dass sich an dieser Stelle ein Mann mitsamt seines Pferdes in den Tod stürzte, da er unglücklich verliebt war

Wir "starten" unsere Wanderung am weißen Kreuz hoch über Herculane (Bis hierher sind wir schon etwa 1 Stunde unterwegs). Die Legende besagt, dass sich an dieser Stelle ein Mann mitsamt seines Pferdes in den Tod stürzte, da er unglücklich verliebt war


Es geht höher und höher...

Es geht höher und höher...


Auch heute spielt das Wetter nicht mit...

Auch heute spielt das Wetter nicht mit...


Kurze Verschnaufpause

Kurze Verschnaufpause


Eine kleine Tropsteinhöhle auf halber Höhe.

Eine kleine Tropfsteinhöhle auf halber Höhe.


Je näher wir dem Gipfel des Domogled kommen, desto felsiger wird die Landschaft

Je näher wir dem Gipfel des Domogled kommen, desto felsiger wird die Landschaft








Geschafft! 1100 Meter.

Geschafft! 1100 Meter.


Die Aussicht vom Gipfel ist sagenhaft! Angeblich sieht man sogar die Donau.

Die Aussicht vom Gipfel ist sagenhaft! Angeblich sieht man sogar die Donau.


Nach fast vier Stunden Aufstieg folgt nun der Abstieg...

Nach fast vier Stunden Aufstieg folgt nun der Abstieg...





Ob Hardy wirklich weiß, wo es langgeht? Einen Weg gibt es hier nicht mehr...

Ob Hardy wirklich weiß, wo es langgeht? Einen Weg gibt es hier nicht mehr...


"Guck mal ne Schnecke!"

"Guck mal ne Schnecke!"





Nach achtstündigem Marsch und rechtzeitig mit dem Sonnenuntergang, erreichen wir das weiße Kreuz

Nach achtstündigem Marsch und rechtzeitig mit dem Sonnenuntergang, erreichen wir das weiße Kreuz

Als wir am Abend erschöpft und müde bei Pizza im Restaurant sitzen, sind wir alle sehr still. Es ist jetzt beinahe zwölf Uhr und nach dem achtstündigen Marsch hat keiner von uns noch die Energie für eine angeregte Unterhaltung. Und ich weiß nicht, wie es den Anderen geht aber ich bin auch ein wenig traurig, das dies der letzte Abend ist und wir in der kurzen Zeit zu Freunden geworden sind und es schwer fällt, jetzt schon wieder Abschied zu nehmen. Gerne hätten wir hier noch mehr Zeit verbracht, aber wir sind uns sicher, dass es nicht das letzte Mal ist, dass wir Herculane besucht haben.

Hardy, Nicole, Vali and all the others from Herculane: Thank you for that great time!!!


Bei Hardy zu Hause. Ein wahrer Bergsteiger...

Bei Hardy zu Hause. Ein wahrer Bergsteiger...


Lorena freut sich über die schöne Aussicht, dir wir einen Tag später auf dem Gipfel gehabt hätten.

Lorena freut sich über die schöne Aussicht, dir wir einen Tag später auf dem Gipfel gehabt hätten.

KAPITEL 16: Ankunft in Rumänien
RUMÄNIEN



Next Level

Ähnlich wie in einem Computerspiel, wenn man in ein neues Level übergeht, kommen wir uns vor, als wir die serbisch-rumänische Grenze überschreiten. Vor uns liegt Natur, wie sie schöner kaum sein kann. Endlich. Wir fahren über eine einsame Landstrasse, welche sich entlang eines Flusses, durch die ersten Ausläufer der Karpaten schlängelt. Auf den Gipfeln in der Ferne ist noch vereinzelt Schnee zu erkennen. Wir genießen die Ruhe und die Natur und fragen uns, welche Tiere wohl in den Hängen um uns herum leben. Adler kreisen über den Wiesen im Tal. Der Fluss ist durch den Regen der letzten Tage über die Ufer getreten und drückt sich vorbei an einer alten verlassenen Mühle. Leider sind die Menschen hier nicht so offenherzig wie in Serbien. Selten wird unser Gruß erwidert und wir zweifeln langsam daran, ob unser Wörterbuch eventuell etwas veraltet ist und man inzwischen vielleicht ein anderes Grußwort benutzt. Die Strasse, die wir gewählt haben scheint nun auch nicht unbedingt die touristischste zu sein. Die Dörfer wirken eher abgeschnitten von der Aussenwelt. Wir wittern unsere Gelegenhit in Kontakt mit den Leuten zu kommen, als wir ein liegen gebliebenes Auto mit zwei Schäfern entdecken. Sehr schüchtern und zurückhaltend schieben sie mit uns das Auto an, fahren dann aber dankbar, hupend und knatternd davon.

















Zurückhaltung und Distanziertheit

Wir bekommen die Erlaubnis auf der Obstwiese einer jungen Familie zu Übernachten. Der Mann schneidet dort die Äste der Bäume, zieht sich jedoch schnell mit seiner Frau und dem Sohn zurück, als wir beginnen unser Zelt aufzubauen. Erst am nächsten Morgen schauen sie noch einmal vorbei und der Hund ist der erste der neugierig Kontakt mit uns aufnimmt. Wir versuchen uns mit Zeichensprache und den paar notierten Vokabeln Rumänisch mit den Leuten zu unterhalten. Die Großmutter ist erstaunt, dass wir absolut kein Rumänisch sprechen. Und lachend stellt sie fest, dass unser Vokabular dem des zehn Monate alten Davids entspricht. Der Kleine grinst uns aus den Armen seiner Oma entgegen und sagt so was wie: “Dadada” (auf rumänisch: jajaja). Die kleine Weltkarte ist eine gute Basis zur Verständigung und anhand dieser können wir ihnen dann doch erklären, was wir mit den Fahrrädern und dem ganzen Gepäck vor haben.


Die rumänische Familie

Die rumänische Familie

Das Eiserne Tor

Wir nähern uns dem Eisernen Tor, einer der imposantesten Taldurchbrüche Europas. Zwischen Moldava Veche und Dobreta-Turnu Severin zwängt sich die Donau auf rund 110 Flusskilometern durch dieses Nadelöhr. Bis zu 1.200 Meter hohe Felswände schießen rechts und links empor. Einst wegen ihrer tückischen Katarakte gefürchtet, wurde die wilde Schlucht 1972 zum “Balkanfjord” aufgestaut. Die Felsformationen, durch die sich die Donau – mal größer mal kleiner werdend – drückt, sind wirklich beeindruckend und ich würde behaupten, dass dies der schönste Abschnitt des Flusses ist. Nach beinahe jeder Kurve halten wir an, um zu staunen und zu fotografieren. Eine Quelle, deren kühles Wasser den Fels herunter plätschert nutzen wir um unsere Haare zu waschen. Ein junger Rumäne kommt mit uns ins Gespräch und ist sichtlich beeindruckt von unserem Vorhaben. Nachdem er uns freundlich all unsere bis hier gesammelten Fragen rund um Rumänien beantwortet hat, bittet er uns noch um ein Foto zur Erinnerung und wir fühlen uns beinahe prominent.


Toate cele bune!

Toate cele bune!

 

Wofür braucht man Stative?

Wofür braucht man Stative?







Eine verlassene Fabrik. Selbst diese wirkt malerisch vor der traumhaften Kulisse des Eisernen Tores.

Eine verlassene Fabrik. Selbst diese wirkt malerisch vor der traumhaften Kulisse des Eisernen Tores.


 

Unser erstes Lagerfeuer. Bei gegrillten Würstchen genießen wir die Aussicht auf die Berglandschaft

Unser erstes Lagerfeuer. Bei gegrillten Würstchen genießen wir die Aussicht auf die Berglandschaft


 



Die Statue des Dakerkönigs Decebalus. Die Idee stammt von dem rumänischen Geschäftsmann und Historiker Iosif Constantin Dragan. Mit dem Projekt waren insgesamt zwölf Bildhauer beschäftigt, die Fertigstellung dauerte zehn Jahre (2004) und am Ende kostete es über eine Mill. US-Dollar.

Die Statue des Dakerkönigs Decebalus. Die Idee stammt von dem rumänischen Geschäftsmann und Historiker Iosif Constantin Dragan. Mit dem Projekt waren insgesamt zwölf Bildhauer beschäftigt, die Fertigstellung dauerte zehn Jahre (2004) und am Ende kostete es über eine Mill. US-Dollar.

Decebalus Kopf

Wir befinden uns im Land der Bären und mein Kopf dreht sich von links nach rechts auf der Suche nach wilden Tieren. Dafür nehme ich in Kauf, das ein oder andere Schlagloch zu übersehen. Allein die Vorstellung hinter der nächsten Kurve einen Wolf oder einen Bären entdecken zu können, macht das Fahren hier abenteuerlich und spannend. Vor der 40 Meter hohen Statue des Dakerkönigs Decebalus, machen wir ein paar Fotos, als hinter uns etwas Großes von der Böschung ins Wasser fällt. Es scheint eine riesige Schlange zu sein, die einen Hasen, ein Rehkitz oder etwas Ähnliches mitgerissen hat. Der Kampf dauert nicht lange. Die Schlange peitscht ein paar mal kräftig im Wasser hin und her bis das Opfer reglos auf der Oberfläche schwimmt.

Da sich der Tag bereits dem Abend nähert, folgen wir anstatt der Donau einer Beschilderung zu einem See in einer Bucht, an dessem grünen Ufer sich nahe der angrenzenden Schlucht einige Häuser befinden. Vor einem der kleinen Häuser steht ein Auto. “Buna ziua?” Nur der weiße, zottelige Hund, welcher vor dem Tor liegt, dreht seinen Kopf zu uns um. Timm probiert es noch ein mal “Buna ziua? Salut?” Hinter dem Vorhang ist doch Jemand! Die Tür geht auf und ein junges blondes Mädchen schaut heraus. “Come in, come in!” Wir betreten das kleine Haus und sind überrascht, dass uns dort wider Erwarten keine Familie begrüßt, sondern einige Teenager auf Sofas vor dem Fernseher liegen (Programm: Takeshis Castle). Zwei von ihnen befinden sich anscheinend mitten in der Tiefschlafphase. Sie fragen uns, ob wir Etwas trinken möchten. “Wodka? Apple Juice?” Wir entscheiden uns für den Apfelsaft und verstehen zugleich die Situation. Dies scheint wohl eine Art Ferienhaus zu sein, welches die jungen Leute zum Feiern über die Ostertage nutzen. Es herrscht eine lockere Stimmung und sie wird noch lockerer als wir ein Glas Palinka probieren – Es ist ein sehr hochprozentiger, für Rumänien typischer Schnaps, welcher aus Pflaumen hergestellt wird und nach dem man sich fühlt, als könne man Feuer speihen. Zumindest fühle ich mich so. Aber vielleicht trifft hier auch das Motto zu: Ist er zu stark, bist du zu schwach!?
Die Einladung in dem Haus zu Übernachten lehnen wir dankbar ab, da wir uns vorstellen können, dass die Nacht dann wahrscheinlich sehr kurz werden würde und wir den Schlaf dringend brauchen. Wir bevorzugen daher den angrenzenden, zu dieser Zeit verlassenen Campingplatz und verabreden uns für den Abend zum Essen. Da wir nicht mit leeren Händen erscheinen wollen, kochen wir Spaghetti mit Tomatensoße und Speck. Die Nudeln scheinen allerdings nicht die besten zu sein und so entsteht eine matschige Pampe, die nicht wirklich appetitanregend ausschaut. Das Essen hingegen, das uns Simona, Edi, Albert, Diana und Doris auftischen, ist ein wahres Festmahl. Der Duft von Gegrilltem liegt in der Luft, dazu gibt es Brot, Käse, Salat, Zaziki und einige Gläser Wodka.




Noroc!

Noroc!


La revedere! - Auf Wiedersehen!

La revedere! - Auf Wiedersehen!


Verewigung auf unserem WE ARE T-Shirt

Verewigung auf unserem WE ARE T-Shirt


Unser Zeltplatz. Wofür so ein Fußballtor doch gut ist!

Unser Zeltplatz. Wofür so ein Fußballtor doch gut ist!


Ein bisschen den vermissten Pferdegeruch schnuppern...

Ein bisschen den vermissten Pferdegeruch schnuppern...



 

KAPITEL 15: Die letzten Tage in Serbien
SERBIEN

Auf Wiedersehen?

Auf Wiedersehen?

Abreise in Belgrad

Timm: Um kurz vor sieben wache ich auf. In fünf Minuten klingelt der Handywecker. Wir sind nun schon die vierte Nacht bei Rade und haben bereits ein schlechtes Gewissen, weil wir ursprünglich nur zwei Tage bleiben wollten. Doch bevor wir losfahren, versuchen wir noch etwas “Ballast” abzuwerfen. Passenderweise hat Rade eine Kofferwaage. Wir versuchen durch eine aufwendige Umpackaktion das Gepäck so zu verteilen, dass wir eventuell auf den Anhänger verzichten können. Könnte passen. Noch ein kurzes Abschiedsfoto mit Lucky dem Welpen, der uns in der kurzen Zeit genauso wie der alte Rüde Bobbie ans Herz gewachsen ist. Die beiden hüpfen um uns herum, während wir unsere Fahrräder beladen und realisieren im Gegensatz zu uns sicher nicht, dass gleich wahrscheinlich ein Abschied für immer folgt. Auch der schüchterne Bosnier aus Sarajevo, welcher ebenfalls in Rades Haus wohnt und in Belgrad Chemie studiert, schaut uns interessiert zu. Als wir dann in Richtung der Hauptstraße rollen, werfe ich noch einen letzten Blick zurück auf das Haus. Den Seufzer kann ich nur schwer unterdrücken.


Lorena: Ich stelle fest, dass es nicht gut ist, zu lange Zeit an einem Ort zu bleiben. Beinahe heimisch haben wir uns inzwischen in der kleinen Wohnung in dem Vorort von Belgrad gefühlt. Wahrscheinlich, weil sich so etwas wie Routine eingestellt hat. Bekannte Abläufe. Dazu hat auch Lucky beigetragen, der jeden Morgen, sobald die Haustüre aufging, fröhlich in unser Wohnzimmer hüpfte, um uns zu begrüßen. Außerdem habe ich das Gefühl, mein Körper dachte sich während der vier Tage Pause, das tägliche Fahrrad-Fahren hat nun endlich ein Ende. Leider muss ich ihn enttäuschen und ihm mitteilen, dass da noch Einiges vor uns liegt. Somit beschwert er sich mit starken Knie-, Po- und Muskelschmerzen. Aber davon lasse ich mich so schnell nicht unterkriegen. Wir fahren den Donaudamm entlang, der nun endgültig nicht mehr asphaltiert ist. Über groben Kies geht es in Richtung rumänischer Grenze.


Timm: Das Fahren ist angenehm. Durch die Umpackaktion hat Lorena deutlich mehr Gewicht bekommen, was sich an der ein oder anderen Steigung bemerkbar macht. Der Donaudamm hinter Pan?evo schlängelt sich mit grünem Gras bewachsen entlang der kilometerlangen Auen. Wir treffen einige Schaf-, Ziegen- und Kuhherden, die das Dammgras exakt auf die Höhe eines englischen Rasens knabbern.



Schwanensee

Schwanensee


Bieber oder nicht Bieber? Das ist hier die Frage...

Bieber oder nicht Bieber? Das ist hier die Frage...


Die Ziege und das Zicklein

Die Ziege und das Zicklein








Lorena: Unterhalb des Dammes am Donauufer präsentiert sich aufgrund der vielen Bastschirme eine dem Ballermann ähnelnde Strandlandschaft. Als wir uns nähern, stellen wir jedoch fest, dass das Wasser nicht wirklich zum Baden einlädt. Undefinierbare Kleinteile schwimmen in der Brühe. Direkt am Eingang ist eine Art Strandbar, die aber, so wie es aussieht, in den nächsten paar Monaten noch geschlossen bleibt. Im Moment wirkt sie nicht besonders einladend und ist vollgestellt mit allerlei Schirmen und Brettern. Für uns ist es perfekt. Ein alter Mann, der gerade vor seiner Fischerhütte am Holz hacken ist, gibt uns auf rumänisch zu verstehen, dass es in Ordnung ist wenn wir dort campen. Zumindest verstehen wir es so. Die eigentliche Konversation sieht nämlich so aus, dass wir ihm mit Handzeichen für “Schlafen” und “Zelt” und dem Wort “Camping” versuchen zu verdeutlichen, was wir möchten und er mit einer weiten Geste nickend um sich herum zeigt, was wir so deuten, als bedeute es: “Ja. Hier könnt ihr überall campen!” Also schlagen wir in der Mitte zweier Holztische unser Zelt auf und genießen unter den Bastschirmen unser Abendessen mit Blick auf eine wunderschöne naturbelassene Donaulandschaft. Ich bin gerade eingeschlafen, als einige Stimmen zu hören sind. Was machen wir eigentlich falsch? Es sind drei Personen. Eine Frau lacht. Das ist schonmal beruhigend. Anscheinend zwei Männer und eine Frau. Wir sind nicht sicher, ob sie unser Zelt entdeckt haben. Musik ertönt. Da wir nicht ruhig schlafen können, ohne zu klären, wer die Menschen sind, entscheidet sich Timm aus dem Zelt zu klettern und nachzusehen. Ich stecke nur meinen Kopf heraus. In der kleinen Hütte, die vorhin noch so verlassen und barikadiert wirkte, brennt nun Licht.


Timm: Ich ziehe mir meine Hose an (Ja, ich habe aus der Nacht mit den Hunden gelernt!) und klettere aus dem Zelt. Was wollen die bloß im April um elf Uhr in einer Gott verlassenen Strandbar? In der Hütte brennen zwei Kerzen. Drei Gestalten haben die Köpfe zusammengesteckt. Ich stelle mich in den Türrahmen und grüße mit “Dober Dan”. Die Frau spricht Englisch. Ich frage, ob sie damit einverstanden sind, wenn wir hier schlafen: “We sleep here! Is this ok?” Habe aber eher das Gefühl, als würde ich sagen: “Wir schlafen hier, könnten sie die Musik etwas leiser drehen?” Am nächsten Morgen kommt die Frau auf uns zu. Sie fragt, ob wir einen Kaffee trinken möchten und erklärt, dass sie hier zusammen mit ihrem “Darling” wohnt. Und die Moral von der Geschicht’: trau unbewohnten Häusern nicht!







Matschiger Donaudamm

Der Regen der letzten Nacht macht sich bemerkbar. Der staubige Weg entlang des Dammes ist aufgeweicht und der Wind peitscht ununterbrochen von der Seite über den Damm. DAuch die Schlaglöcher sind nun gefüllt mit Wasser und so bewegen wir uns im Schneckentempo und Zickzack-fahrend vorwärts. Mehr als 8 Km/h sind heute einfach nicht drin.


Lorena: Mehrmals kommt mein Rad so ins Rutschen, dass ich drohe umzufallen. Ständig dieser verfluchte Seitenwind! Am liebsten möchte ich gar nicht mehr weiter fahren. Aber das hilft mir ja dann auch nicht besonders viel. Weit und breit ist Nichts zu sehen außer Bäume, Wiese und Damm. Ich verfluche den Weg und Timm, der einige hundert Meter vor mir fährt und keine Rücksicht darauf nimmt, ob ich hinterher komme. Sobald wir in die Nähe einer Strasse kommen, werde ich die Beziehung beenden und nach Hause fliegen. Keine Lust mehr! Und schließlich ist dann doch ein Ende in Sicht und schnell habe ich vergessen, warum ich vor einigen Minuten noch so wütend war!


Timm: Lorena und ich reden mal wieder nicht miteinander. (Sie ist sauer, dass ich mich nicht genug um sie kümmer. Und ich verstehe es mal wieder nicht, da ich auf meine Hilfsangebote nur maulige Antworten erhalten hatte.)
Es ist sehr belastend unter ständigem Seiten- und Gegenwind zu fahren. Doch das Schlimmste am Wind ist nicht einmal, dass kraftraubende Fahrrad fahren, sondern das über Stunden ununterbrochene Pfeifen in den Ohren. Natürliche Foltermethode sozusagen. Am Ende der Tortur wartet eine Asphaltstraße und ein Fischerhaus mit Blick auf die an dieser Stelle fischreiche, zwei Kilometer breite Donau. Der Wirt ruft uns überraschender Weise auf Deutsch zu: “Kommt rein, hier könnt ihr euch ausruhen.” Genervt von den Strapazen nehmen wir dankend an und setzen uns auf die windstille, überdachte Terasse in butterweiche, dick gepolsterte Bastsessel. Der Blick ist traumhaft, wir bestellen zwei Bier. Der Wirt Milikovic setzt sich zu uns an den Tisch und meint zu seiner Frau: “So, jetzt will ich mit den jungen Leuten doch mal reden.” Und so erzählt er uns eine Stunde lang von seiner 20-jährigen Arbeit als Gastarbeiter in Wien. Von seiner Pflaumenplantage mit 1000 Stock. Seinem Hotel, welches mittlerweile durch den Sohn geführt wird. Seinem Fischereiclub. Vom deutschen Fleiß und dem serbischen Potential. Und von Lockomotiven, welche früher die Schiffe an einigen Stellen der Donau wegen der starken Strömung Fluss aufwärts ziehen mussten. Wir hören gespannt zu und schlürfen gelegentlich an unserem Jelen Pivo. Die frisch gebackenen mit Marmelade gefüllten Stückchen seiner Frau dürfen wir dann auch noch probieren! Vielen Dank dafür! Die waren großartig!



Serbische Geschichte auf der Anglerterasse

Serbische Geschichte auf der Anglerterasse


Heute hat Jens Geburtstag. Lorena und ich haben ihm auf unserer Webseite ein kleines Geburtstagsständchen gewidmet. Kurz vor der Grenze können wir in das rumänische Handynetz wechseln (endlich wieder EU Preise!). Ich verkrieche mich in einen Graben, um etwas Ruhe vor dem Wind zu haben. Es ist schön die Stimmen der Daheimgebliebenen zu hören. Und gerade zu Ostern, wenn die ganze Familie zusammen sitzt, wäre ich gerne bei ihnen.

Heute hat Jens Geburtstag. Lorena und ich haben ihm auf unserer Webseite ein kleines Geburtstagsständchen gewidmet. Kurz vor der Grenze können wir in das rumänische Handynetz wechseln (endlich wieder EU Preise!). Ich verkrieche mich in einen Graben, um etwas Ruhe vor dem Wind zu haben. Es ist schön die Stimmen der Daheimgebliebenen zu hören. Und gerade zu Ostern, wenn die ganze Familie zusammen sitzt, wäre ich gerne bei ihnen.

Eine matschige Angelegenheit

Wir beschließen noch eine Nacht in Serbien zu bleiben. Wieder einmal hat sich die eben noch wunderschöne Landschaft zu einer Camping unfreundlichen Einöde verwandelt. In einem wunderschönen Marillenhain sehen wir unsere letzte Chance für einen geeigneten Schlafplatz. Wir schieben die Räder durch die weiß blühenden Baumreihen und müssen nach nur zehn Metern feststellen, dass dies nicht die beste Idee war. Der Boden, welcher von Weitem wie eine grüne Wiese aussah, ist bei näherer Betrachtung feucht und erdig. Wie ein “Zwei-Komponenten-Kleber” pantscht sich das lehmartige Etwas aus Wasser und Erde zwischen Reifen und Schutzblech. Mein Fahrrad zeigt sich als wahrer Draht-Esel und weigert sich standhaft, sich auch nur ein Stück weiter zu bewegen. Die Reifen blockieren. Nichts geht mehr. Rien ne va plus. Nicht vor und nicht zurück. Also Taschen ab und das Zelt an Ort und Stelle aufstellen. Ich bin mit meiner Geduld am Ende. Wind. Ok. Regen. Ok. Nervige Freundin / nerviger Freund. Ok. Schlafplatzsuche im Dunkeln. Mittlerweile Ok. Aber jetzt auch noch mit zwei Kilogramm extra Gewicht an den Füßen ins Zelt kriechen. Definitiv nicht mehr Ok! Wenigstens kann man auf dem Schlamm Wirbelsäulenfreundlich schlafen.
Am nächsten Morgen zeigt sich erst das Ausmaß unserer Übernachtung im Matsch. Die Räder meines Fahrrads lassen sich noch immer nicht drehen (warum sollten sie auch?) und so wird es eben bis zur Strasse getragen. Nach einer knapp einstündigen Freikratzaktion ist eine Art Rollen endlich wieder möglich. Und so stehen wir schlammig und ungewaschen auf der schnurrgeraden Strasse, als sich sehr zügig ein bepacktes Fahrrad nähert. “Hey, schau mal! Da kommt wieder ein Weltenbummler”. Lorena antwortet ungläubig: “Der ist doch viel zu schnell!” Er ist jedoch eine Sie und tatsächlich auf Weltreise! Das Timing könnte perfekter kaum sein. Ohne Frühstück und Morgenwäsche stehen wir zerzaust am Straßenrand und puhlen mit kleinen Stöckchen wie Primaten den Lehm aus dem Reifenprofil. Und dann steht sie da! Die Schweizerin. Acht Uhr, Wind, die Frisur sitzt. Voller Energie und gut gelaunt. Die Kette blitzt. Sie erzählt uns stolz in ihrem neongelben Radleroutfit von einer perfekt durchorganisierten Tour nach China inklusive einiger Altenativpläne, falls Etwas nicht klappen sollte. Wo hingegen wir noch nicht ein mal sagen können, wohin uns der Weg die nächsten Tage führt. Erkenntnis des Tages (heute passenderweise schon sehr früh): “Lasst euch nicht so gehen, putzt mal wieder eure Räder und macht endlich mal wieder ein paar Kilometer!” Wir haben verstanden, treten in die Pedale und versuchen die neongelbe Erscheinung, die schon lange wieder am Horizont verschwunden ist, einzuholen.



Auf den ersten Blick gar nicht so schlecht, oder?

Auf den ersten Blick gar nicht so schlecht, oder?














Serbien: Impressionen















Kapitel 14: Serbien
SERBIEN

Von Ungarn über Kroatien nach Serbien

Von Ungarn über Kroatien nach Serbien

Pause zwischen Schilfbündeln

Pause zwischen Schilfbündeln

Grenzen

Passkontrolle. Der Beamte an der ungarisch-kroatischen Grenze kommt aus seinem Kontrollhäuschen und steht stillschweigend an der Schranke. Da wir nicht genau wissen, was er von uns möchte, sagen wir: „Wir wollen nach Kroatien.“ Logisch, schließlich stehen wir an der Grenze! Auf jeden Fall hat unsere Aussage den Mann erheitert und er zeigt grinsend in Richtung Kroatien, als wolle er sagen: „Ja, es ist dort drüben!“ Danke! Wir zeigen unsere Pässe, passieren, und befinden uns im Zwischenraum der zwei Länder. Für die Kontrolle auf der kroatischen Seite ist eine junge Frau zuständig. Im Hintergrund einige Männer. Ich frage mich, ob es die Uniform ist, die an ihnen so Respekt einflößend wirkt? Oder vielleicht die versteinerten Mienen? Die ernste, fast maschinelle Art, in der die Fragen gestellt werden: „Where are you going?“ Wohin wollt ihr? „Nach China!“ ist Timms schlagfertige und knappe Antwort. Absolut passend, denn die Beamten lächeln nun und in ihren Gesichtern spiegelt sich so etwas wie Anerkennung und Symphatie wieder. Auch an der serbisch-kroatischen Grenze löst die Antwort „China“ den gleichen Effekt aus.
Serbien ist in meinem Kopf unweigerlich mit dem Thema Krieg verbunden. Doch eigentlich weiß ich rein gar nichts über das Land. Und wenn man nicht genau weiß, was einen erwartet, fühlt man sich erst einmal fremd und verloren. Kyrillische Buchstaben sind für mich unlesbare Zeichen. Auch die beiden bewaffneten Soldaten, die kurz nach dem Grenzübergang am Straßenrand stehen und uns ohne jegliche Mimik mustern, tragen nicht sonderlich zum Wohlbefinden bei. Wir überholen eine Kutsche, die von einem viel zu kleinen, wohl ehemals weißen Pferdchen gezogen wird. Ein schmuddelig wirkender älterer Mann grinst uns vom Bock aus zahnlos entgegen. Fast erschreckend ist das Bild, welches sich uns auf dem ersten Streckenabschnitt zeigt. Großflächig brandgerodete Gebiete. Der Geruch von brennendem Müll liegt in der Luft. Ein Mann, dessen Gesicht so schwarz ist wie die verbrannte Erde um ihn herum, bahnt sich seinen Weg durch die glimmenden Berge aus Plastik und anderer Überbleibsel. Doch umso weiter wir uns von der Grenzregion entfernen, umso mehr zeigt sich auch wieder die Natur ohne Schäden menschlichen Handelns. Die Leute begrüßen uns im Gegensatz zu der eher verschlossenen und schüchternen Art der Ungarn mit einer offenherzigen Freundlichkeit, winken uns zu, hupen, feuern uns an. Es ist schön und trägt dazu bei, dass wir uns in Serbien schnell wohl fühlen.


Entlang verbrannter Erde

Entlang verbrannter Erde

Lebende Tiere

Heute fahren wir die meiste Zeit entlang eines Dammes durch ein wunderschönes Naturschutzgebiet. Wir können uns nicht entscheiden, ob die Auenlandschaft mit den uralten, verwachsenen Bäumen eher als Kulisse für ein Märchen oder einen Gruselfilm wie Sleepy Hollow dienen könnte. Faszienierend ist sie allemal. Es ist kein Mensch in Sicht und es tut gut nach all den aufgeforsteten Wäldern, mit Bäumen in Reih und Glied, ein Stück belassene Natur zu entdecken. Unterhalb des Donaudammes befindet sich eine Wasserlandschaft, um die sich eine riesige Rotte Wildschweine mit etlichen Frischlingen tummelt. Ich stoppe abprupt und deute auf die Tiere. Diese bemerken uns beinahe gleichzeitig, behalten uns im Blick, lassen sich aber nicht wirklich stören. Timm will gerade die Kamera zücken, als ausgerechnet in diesem Moment zwei Traktoren heranknattern. Dieses Timing ist unglaublich! Die Wildschweine entscheiden sich nun doch für den Rückzug. Während die Familienbande ins Dickicht trabt, hält ein riesiger, dicker Eber Wache, beobachtet uns und die Umgebung und zieht sich dann als Letzter schließlich auch zurück. Wir sind begeistert eine so große Rotte gesehen zu haben und gleichzeitig auch ein wenig entäuscht, dass es nur für den kurzen Moment war. Die meisten Tiere, die uns bisher begegneten lagen tot im Strassengraben. (Auf unserer „Roadkill“-Liste sind wir mittlerweile bei 78 toten Tieren angekommen: von Rebhuhn, Schlange und Dachs, über Hunde, Schweine und Rehe, bis hin zu Füchsen, Eulen und einem Adler). Das ist zwar vielseitig, aber nicht die Art von Tierbeobachtungen, die wir uns wünschen. Naja, den Biber suchen wir ja auch immer noch!


Die Wildschweine ziehen sich zurück

Die Wildschweine ziehen sich zurück

Lorena begutachtet vorsichtig die alte Brücke

Lorena begutachtet vorsichtig die alte Brücke

Wo sind sie denn hin die Schweinchen?

Wo sind sie denn hin die Schweinchen?



Donauradweg

Donauradweg

Novi Sad

Ohne jegliche Erwartungen nähern wir uns Novi Sad. Verostete, verstaubte Wagen, deren Auspuff des Öfteren gefährlich nah über dem Asphalt hängt werden abgelöst von polierten Neuwagen. Zwischen den uns aus ländlicheren Gegenden bereits bekannten, eher bescheidenen Häusern, ragen nun einige Villen hervor. Sie sind durch hohe Mauern abgeschottet von ihrer Umwelt. Wohlstand und Armut bestehen hier direkt nebeneinander. Auf der einen Seite des Weges liegt ein vornehmer Tennisplatz auf dem Kinder in Markenklamotten unterrichtet werden, auf der anderen Seite eine Hütte, die gerade noch von Brettern und Plastiksäcken zusammengehalten wird. Die Ungleichheit ist erschreckend und dennoch fasziniert die augenscheinliche Toleranz und Koexistenz. Die Vorstadt besteht aus großen, grauen Hochhäusern deren Balkone überfüllt und zugestellt wirken: viele Menschen gedrängt auf engstem Raum. Kinder spielen inmitten von Müll mit verwahrlosten Hunden. Eine andere Welt. Ich fühle mich unwohl. Nicht, weil ich die Gegend beängstigend finde, sondern weil ich mich in meiner bunten Markenkleidung und auf meinem hochwertigen Fahrrad deplatziert und überheblich fühle. Doch wir scheinen überhaupt nicht aufzufallen. Es gibt keine abwertenden oder gar neidischen Blicke. Je näher wir dem Stadtzentrum kommen, desto mehr ändert sich meine Selbstwahrnehmung. Die Kleidung, welche mir eben noch protzig vorkam, fühlt sich nun schmutzig und plump an. Sehen und gesehen werden ist das Motto in Novi Sads Innenstadt. Frauen in engen Jeans und High Heels präsentieren sich zwischen den Leuten, die bei Zigarette und Kaffee in gemütlichen Stühlen unter Sonnenschirmen sitzen. Wie bei einer Modenschau, schieben wir die Räder durch die Menge und werden neugierig begutachtet.







Wir fragen uns durch auf der Suche nach einem günstigen Hostel. Es soll Eines mitten in der Innenstadt geben. Lorena wartet bei den Rädern. Von außen lässt nur die Klingel erkennen, dass es irgendwo in diesem Wohnblock ein Hostel gibt. Ich schleiche über Flure und Etagen, über Innenhöfe und Balkone. Kein Hostel. Nur ein Fahrrad. Moment, das kenne ich doch irgendwoher. Es ist Julians Fahrrad! (Der weissharige Waliser, der auch auf dem Weg nach Istanbul ist.) Leider hat Julians Hostel keinen Platz mehr für weitere bepackte Räder und Radler. Eine Etage tiefer entdecke ich bei meiner Suche ein Schild: „Deutschunterricht“. Ich klingel. Die Dame ist sehr hilfsbereit und gibt uns ihren Mann mit auf den Weg. Dieser versteht zwar kein Deutsch und auch kein Englisch, führt uns aber geradewegs zum nächsten Hostel. Perfekt, denke ich. Treppe rauf, durch die Tür. Oje, vertan! Das ist wohl die falsche Wohnung. Zwei ältere Damen sitzen auf dem Sofa im Wohnzimmer und schauen mich neugierig an. „Äh Hostel, ich… äh… I‘m searching for the Hostel.“ Oh man, peinlicher kanns jetzt nicht mehr werden. Die Damen reden in serbisch auf mich ein. Ich bin gefühlte vier Köpfe größer als sie. Aus einem Nebenzimmer kommt ein blonder, gelockter Typ etwa gleichen Alters hinzu. Er hingegen ist gefühlte vier Köpfe größer als ich. Er trägt eine zu kurze, schwarze Lederjacke und Cowboystiefel. Dönerfutternd erklärt er mir in einsilbigem Englisch und deutschem Akzent, dass das hier wohl das Hostel sei. „Wie jetzt? Hier wohnen doch zwei alte Damen?“ frage ich ihn. „Nein, die Chefin ist gerade nicht da. Aber ist kein Problem.“ Der Typ verschwindet wieder in dem Zimmer und lässt mich mit den beiden Damen zurück. Ahja, und wieviel kostet das hier? Ich brauche Ruhe und habe keinen Nerv meine müden Knochen für den Rest des Tages mit Zeichensprache auf Trab zu halten. Das nächste Hostel ist nur ein paar hundert Meter weiter. Von dem Besitzerpärchen werden wir freundlich empfangen und bekommen für den gleichen Preis statt Wohngemeinschaft mit Seniorenbetreuung ein nettes kleines Zimmer, mit französischem Bett, frischen Handtüchern und Stereoanlage.


Der absolute Geheimtipp

Wer kein Geld für eine Stadtführung zahlen will, und auch keine Lust auf die von Touristen überlaufenen “Sehenswürdigkeiten” hat, wer die Stadt intensiv und von allen Seiten erleben möchte, der sollte sich einfach auf die Suche nach einem Waschsalon machen.
So wie ich. Lorena hat fast unsere gesamte Wäsche in das große Badetuch gewickelt und fest verschnürt. Der riesige Wäschesack auf dem Gepäckträger unserer normalerweise eher wuchtig wirkenden Räder, lässt diese nun irgendwie lustig und klein erscheinen. Aber vielleicht liegt es einfach nur daran, dass ich auf Lorenas Fahrrad sitze, meine Füße auf dem Boden schleifen und ich mir dabei vorkomme wie auf ihrem Pony. So fahre ich mit diesem überdimensionierten Stoffkneul und dem unterdimensionierten Fahrrad durch Novi Sad. Ich frage hier und da die Passanten nach einem Waschsalon. Diese antworten mit: “Hier!” und “Da!” Und so lande ich hier und da: in Wäschereien, Hinterhöfen, Sackgassen und einem Spielcasino, was wohl früher einmal eine Wäscherei war.
Für 3 Euro inkl. Waschpulver, Zehn-Kilometer-Fahrradtour und Hinterhof Sightseeing durch Novi Sad, finde ich letzten Endes doch noch einen kleinen Waschsalon mit 3 Waschmaschinen. Der Inhaber liegt auf einer Couch und schaut gemütlich Fernsehen. Ich darf nach 2 Stunden wiederkommen und die frisch duftende und ordentlich zusammengelegte Wäsche abholen. “If you like it, you can come again” ruft er mir hinterher und ich antworte “Yes” und denke “maybe next year”.


Apfelblüten? Kirschblüten? Wer weiss die Antwort?

Apfelblüten? Kirschblüten? Wer weiss die Antwort?

Partycrasher

Am Nachmittag brechen wir in Novi Sad in Richtung der serbischen Hauptstadt auf. Es ist Samstag. Wir haben keine Eile, denn für die knapp 100 Kilometer bis Belgrad haben wir bis Montag morgen Zeit. Denn erst dann kann uns Rade empfangen, welcher uns eine Unterkunft zur Verfügung stellen wird. Der Weg führt uns erneut entlang recht stark befahrener Strassen. Der Verkehr nimmt noch mehr zu, als eine Hochzeitsgesellschaft bestehend aus mindestens dreißig Fahrzeugen sich hupend den Weg bahnt. Wir stimmen mit unseren Klingeln in das Hupkonzert ein. Die Strasse schraubt sich nun fort von der Donau eine wunderschöne Hügellandschaft hinauf und es tut gut immer mal wieder durch den ein oder anderen hupenden Autofahrer angefeuert zu werden. So fahren wir mal wieder, bis die Sonne am Horizont verschwunden ist. Inmitten der endlos weiten Ackerlandschaft natürlich ohne jegliche Bäume steht plötzlich ein großes Schild markant am Strassenrand: Restaurant und Pension. Vielleicht soll das ein Hinweis für uns sein! Wir schieben unsere Räder über den geschotterten Parkplatz auf dem eine Menge Autos stehen und werden neugierig begutachtet. Natürlich fallen wir auf, als wir in die Gaststätte eintreten, um nach einer Campingerlaubnis zu fragen. Wir stellen fest, dass wir wohl inmitten einer Veranstaltung gelandet sind. Hoffentlich keine Beerdigung! Doch eine Menge Kinder hüpft in bunten Kleidern lachend durch den Garten und auch sonst sieht man keine trauernden Gesichter. Ein junger, sehr freundlicher Kellner gibt uns das OK und schaut uns nur verwirrt an, als wir fragen, was es denn kosten würde! So schlagen wir unter neugierigen Blicken zwischen den Apfelbäumen unser Zelt auf, um uns darauf ein kühles Jelen Pivo im überdachten Biergarten (oder wie auch immer man das in Serbien nennen mag) zu gönnen. Ein Mann kommt schüchtern in Richtung unseres Tisches und stellt sich uns als der Besitzer vor. „I have a room for you.“ Überrascht erklären wir ihm dankbar, dass wir unser Zelt bereits aufgebaut haben, es für uns völlig in Ordnung sei, darin zu schlafen und wir dankbar sind, hier überhaupt zelten zu dürfen! Ungläubig schaut er uns an: „You don´t need to pay!“ Auch hier scheint es so, als wäre es den Leuten beinahe unverständlich, wie man um diese Jahreszeit draußen schlafen kann. Als wir ihm erzählen, dass wir in Deutschland bereits bei Minusgraden gezeltet haben, gibt er sich geschlagen, wiederholt aber, dass wir das Zimmer morgen früh zumindest zum Duschen benutzen können. Wir genießen unser Bier und lassen die Athmosphäre auf uns wirken. Von unserem Platz können wir beobachten, wie sich die Schar aus Kindern einen Spaß daraus macht, immer näher an unser Zelt heran zu schleichen. Es muss einen angsteinflößenden Eindruck machen, denn immer wieder rennen sie schreiend davon. Es tut gut zu sehen, welche Wirkung unser Zelt anscheinend auf Andere hat. Eine Band stimmt mit Gitarren ein serbisches Lied an und wir trauen unseren Augen kaum, als der Kellner beladen mit einem Brotkorb und zwei dampfenden Tellern vor uns steht. Gegrilltes! Ein Traum. Unser Grinsen ist so groß, dass es schwer fällt zu essen. Als uns zum Nachtisch auch noch zwei köstliche Kuchen serviert werden, fühlen wir uns wirklich wie im Paradies. Es fällt fast schwer, mit so viel Gastfreundlichkeit und Großzügigkeit umzugehen, da wir nicht wissen, wie wir uns am besten erkenntlich zeigen können. Vielleicht muss man es so sehen wie in dem Film „Das Glücksprinzip – Pay it Forward: Nach dem Prinzip „Weitergeben“ soll man drei anderen Menschen etwas Gutes tun. Diese geben den Gefallen nicht zurück, sondern helfen ihrerseits jeweils drei anderen Menschen. So breiten sich die guten Taten nach dem Schneeballsystem immer weiter aus“. Ein schöner Grundsatz, wie ich finde.


Es ist unglaublich, wie sehr man sich über ein gegrilltes Stück Fleisch freuen kann.

Es ist unglaublich, wie sehr man sich über ein gegrilltes Stück Fleisch freuen kann.

Und dann setzt auch noch die Musik ein. Schöner kann der Abend nicht werden. Oder doch?

Und dann setzt auch noch die Musik ein. Schöner kann der Abend nicht werden. Oder doch?

Noble Absteige

Da sich bis kurz vor Belgrad keine Zeltmöglichkeit bietet, fahren wir zu dem in unserer Karte eingezeichneten Campingplatz. Ein Mann lugt aus seinem Häuschen, begutachtet uns und unsere Fahrräder und fängt an Zahlen auf seinem Block zu addieren. Letztendlich kommt er auf den stolzen Preis von 1900 Dinar also knapp zwanzig Euro und fügt noch hinzu, dass es aber kein warmes Wasser gibt. Auf dem Fenster, durch welches er uns anschaut und auf unsere Entscheidung wartet, klebt ein Sticker des ADAC und ich beschließe, mich bei diesem zu melden und eine passende Bewertung abzugeben sobald wir Zugang zum Internet haben. Eine Frechheit! Dafür dass ich mein Zelt auf einer hässlichen Wiese aufschlagen darf, zahle ich keine zwanzig Euro. So drehen wir um und begeben uns ein paar hundert Meter weiter in Richtung einer Grünfläche, auf der sich einige Häuser in der Bauphase befinden. Meine Laune wird nicht besser, als ich mitsamt meines Fahrrads aufgrund einer Kuhle umfalle. Timm bricht nur in Lachen aus, da ich anscheinend einen merkwürdigen Laut wie „Ohj!” von mir gegeben habe und ziemlich blöd aus der Wäsche gucke.
Vier pompöse Villen entstehen am Rande der Steilküste. Doch umso näher wir ihnen kommen, umso deutlicher wird, dass die Entstehung wohl schon vor einigen Jahren begonnen haben muss und es fraglich ist, ob sie jemals fertig gestellt werden. Wir entscheiden uns für eines der mittleren Häuser. Zwei Flügel und in der Mitte ein großer kreisrunder Saal mit terassenartiger Empore. Ob es nicht gruselig ist, vor solch einer Bauruine zu Zelten? Doch, ist es! Aber wir wollen am Ende unserer Reise nicht als Angsthasen dastehen, weil wir ständig darüber berichten! So wachen wir am nächsten Morgen auf und siehe da es ist Nichts passiert! Da wir nun mit großer Sicherheit davon ausgehen können, dass das Haus wirklich unbewohnt ist, entscheiden wir uns für eine kurze Besichtigung mit anschließendem Frühstück auf der Terasse. Der Blick auf die Donau, die breit unterhalb der Steilküste fließt und über der am Horizont Belgrad im Sonnenlicht thront, ist umwerfend und wir können nicht verstehen, warum diese Häuser keinen Besitzer finden.


Willkommen in unserem bescheidenen Heim.

Willkommen in unserem bescheidenen Heim.



Frühstück mit Aussicht

Frühstück mit Aussicht

Belgrad

Als erstes muss leider gesagt werden: Belgrad ist absolut nicht fahrradfreundlich! Wahrscheinlich haben noch nicht einmal die Autofahrer Spaß daran, sich durch die engen und überfüllten Strassen zu schieben. Und so werden die Fahrradhelme aufgesetzt und wir versuchen etwa das gleiche Tempo zu fahren, wie die Busse, deren Spur wir mitbenutzen. Die halbstündige Fahrt, bei der man ständig schauen muss, nicht von links, rechts, vorne oder hinten über den Haufen gefahren zu werden, ist anstrengender, als hundert Kilometer steil bergauf zu fahren. In Lederjacke und mit Sonnenbrille erwartet uns Rade freundlich lächelnd unter der Pancevo Bridge, um uns den weiteren Weg zu seinem Haus zu beschreiben. Auf der Brücke, die wir überqueren müssen, herrscht reger Verkehr und wir ziehen es vor, den schmalen Bürgersteig zu benutzen. Ich bin froh, wenn wir die andere Seite lebend erreichen, da die Brücke an manchen Stellen nicht mehr den vertrauenswürdigsten Eindruck macht und der Gehweg verdächtige Löcher aufweist. Wenn jedoch Busse und Lastwagen im Eiltempo darüber rasen können, wird sie wohl auch noch zwei bepackten Rädern inklusive dazugehöriger Personen Stand halten. Und ja, wir kommen sicher bei Rade an! Das Haus befindet sich in einer netten Vorstadt-Siedlung. Ein Schäferhund und ein kleiner, weißer Welpe luken aus dem Tor heraus. Wir sind überrascht, als Rade uns mitteilt, dass wir in der kleinen Wohnung alleine sind. Er wohnt inzwischen in der Stadt und nutzt sie nur gelegentlich. Nur sein 23-jähriger Sohn bewohnt die obere Wohnung.
Wir fühlen uns schon fast heimisch. Es tut gut, mal etwas länger an einem Ort zu verbringen und die beiden Hunde sind uns schnell ans Herz gewachsen. Dennoch kribbelt es in meinen Beinen und der Drang zum Weiterfahren wird immer stärker. So brechen wir auf in Richtung Bukarest.


Zemun, Vorstadt von Belgrad. Mal so...

Zemun, Vorstadt von Belgrad. Mal so...

...und mal so.

...und mal so.

Hässlicher kleiner Fratz, aber total süß!

Hässlicher kleiner Fratz, aber total süß!

Markt in Kotez, dem kleinen Vorort, wo wir zur Zeit wohnen.

Markt in Kotez, dem kleinen Vorort, wo wir zur Zeit wohnen.

Ausländer sieht man hier selten. Wir bekommen Feta und Speckwürfel geschenkt.

Ausländer sieht man hier selten. Wir bekommen Feta und Speckwürfel geschenkt.

Füße hochlegen, nach dem Stadtrundgang.

Füße hochlegen, nach dem Stadtrundgang.

Wir besichtigen die Festung.

Wir besichtigen die Festung.