Kapitel 11: Budapest bei Tag und bei Nacht
BUDAPEST

Postkartenmotiv von der Spitze der Margitsziget

Postkartenmotiv von der Spitze der Margitsziget

Immer wieder Sonntags…

…ist es voll auf den Strassen. Der Euro Velo 6 in Richtung Budapest ist so stark befahren, wie die A5 im Berufsverkehr. Ich höre in meinem Kopf die Musik von Tetris (“daa..dadada..dada…dadadaaaa”) und komme mir zwischen all den Radfahrern vor, wie einer der Steine, die irgendwie ihren Platz finden müssen. Dass es keine Massenkarambolage gibt, grenzt an ein Wunder. Wären die Räder Autos, nähmen wir wohl die Rolle eines Schwertransporters ein. Beladen bis zum Anschlag. Immer wieder werden wir – wenn sich eine Möglichkeit bietet – von dynamischeren Sportwagen überholt. Einzig Familien mit Kleinkindern, geben uns die Chance auch einmal ein Überholmanöver auszuführen. Befriedigend aber auch gleichzeitig enttäuschend. Kurz vor Budapest herrscht entlang des Weges Jahrmarktstimmung. Es gleicht der Strandpromenade von Sylt in der Hochsaison. Es gibt viele Stände und wie ein Marktschreier ruft ein Mann mit sehr voluminöser Stimme die Nummern der fertigen Bestellungen auf. “Timm”, ruft es zwischen einem Haufen für uns unverständlicher Zahlen: Wir gönnen uns einen großen frittierten Fisch mit Pommes und Zwiebelringen. Kurz vor fünf erreichen wir Budapest. Ein netter Radfahrer erklärt uns den Weg zu der Jugendherberge, in der wir drei Nächte bleiben wollen. Während wir mit ihm in ein längeres Gespräch geraten, wird es um uns herum langsam dunkel und Budapest erstrahlt in einer nächtlichen Beleuchtung. Sein Sohn fährt ungeduldig um uns herum. “Ihr müsst noch einen ziemlich hohen Berg hinauf.” Das klingt nicht gut! Er bietet uns an, falls uns eine weitere Stunde Fahrt nicht zu weit ist, bei ihm zu übernachten. Wir sind unsicher, da es ein sehr nettes Angebot ist und es sicherlich wieder eine interessante Bekanntschaft wäre. Auf der anderen Seite sind wir ausgepowert und brauchen einfach mal unsere Ruhe. Wir entscheiden uns gegen sein Angebot und bereuen es ein bisschen als wir in Richtung Moszkva tér weiterfahren. Von dort aus soll es eine Bahn geben, die hinauf zum gesuchten Youth Hostel fährt.


Fish & Chips auf ungarisch

Fish & Chips auf ungarisch

 

Unser erstes Eis dieses Jahr

Unser erstes Eis dieses Jahr

Doch Niemand scheint dieses Hostel zu kennen. Zwei nette Jungs, die eine Promotion Aktion für Chubba Chubbs durchführen, sind wohl erfreut über ein wenig Abwechslung und helfen uns so gut sie können. Nach einem Telefongespräch auf ungarisch mit der Jugendherberge finden sie schließlich doch noch heraus, welche Buslinie wir nehmen müssen. Doch die Odysee ist damit noch nicht beendet. Der Busfahrer weigert sich unsere Räder mit an Bord zu nehmen. Sturer Bock. Ich fange an auf Deutsch zu Fluchen. Den Berg fahre ich heute sicherlich nicht mehr hoch. Ich möchte einfach nur noch schlafen, duschen und in ein sauberes Bett. Der Busfahrer kommt auf uns zu und erklärt uns, dass es wohl auch eine Bahnlinie gibt, mit der wir fahren können. Vielleicht ist er ja doch ganz nett und ich berreue ein wenig meinen vorangegangenen Wutausbruch. Der Ausblick, der sich uns bei der Fahrt hinauf bietet, ist für die mühsame Suche Entschädigung genug. Unter uns erstrahlt Budapest und sieht aus, wie ein riesiges Meer aus Lichtern, inmitten derer das Parlamentsgebäude besonders hervorsticht.


Mit der Bahn geht es den Berg hinauf

Mit der Bahn geht es den Berg hinauf

Ankunft im Nirgendwo

Als wir aus der Bahn aussteigen, stehen wir dafür in völliger Dunkelheit. Ein schüchtern wirkender Junge etwa in unserem Alter ist unsere letzte Hoffnung. “Do you speak English?” “Ich spreche auch ein bisschen Deutsch…”, sagt er und ich gehe in Gedanken schnell durch, über was wir so alles in der Bahn geredet haben! Lektion Nummer Eins: Vorsichtig sein mit der deutschen Sprache! Auch im Ausland könnte dich Jemand verstehen. Er erklärt uns in perfektem Deutsch den Weg und wir fahren noch ein paar hundert Meter durch die Nacht. In der Dunkelheit erscheint einem Vieles anders. Das Sichtfeld ist eingeschränkt. Man sieht kaum noch etwas von der Umgebung. So liegt auch das Hotel in kompletter Dunkelheit. Weit und breit ist nichts Anderes zu sehen. Es scheint völlig abgelegen zu sein. Ein blockartiges Gebäude, welches ein wenig an eine sowjetische Schule erinnert. Es macht den Eindruck, als wäre durch die gläsernen Eingangstüren schon lange keiner mehr gegangen. Hinter ihnen hängen dunkle, schwere Stoffvorhänge als Isolation gegen die Kälte. Ich komme mir vor, wie im Grusel-Thriller “Shining” von Stephen King. An der Rezeption ein junges Mädchen mit braunen Dreadlocks und freundlichem Gesicht die zum Glück nicht in mein Bild passt. Hätte dort jetzt eine alte Frau mit krausem Haar und Spinnweben um sich herum gesessen, wäre meine Verwunderung nicht groß gewesen. Doch die Frau spricht perfektes Englisch und erklärt uns freundlich, wo alles ist. Ein etwas pummeliger Junge sitzt auf einer Sofagruppe vor dem Fernseher. Interessant Will Smith ungarisch reden zu hören. Echt talentiert der Mann! Durch spärlich beleuchtete Gänge gelangen wir zu unserem Zimmer und ich bin sofort wieder in der Szenerie meines Psycho Thrillers. Eine einzige flimmernde Neonleuchte beleuchtet den Eingang zu unserm Zimmer. Ein kleiner Raum aus einer anderen Zeit. Rundum eingefasst mit einer dicken Stoffbordüre. Obwohl ich den unbändigen Drang verspüre heiß zu duschen, zieht es mich nicht wirklich in die gruseligen Waschräume.
Hinter einem der Vorhänge wartet bestimmt ein ungarischer Jigsaw. Also begleitet mich Timm in den menschenleeren Damenduschraum und darf sich von dort nicht wegbewegen, bis ich mit dem Duschen fertig bin. Zum Glück gibt es dort W-Lan und er nutzt die Zeit, um eine Verbindung zur Aussenwelt herzustellen.


Das Hotel Csilleberc. Im Dunkeln ein gruseliger Anblick.

Das Hotel Csilleberc. Im Dunkeln ein gruseliger Anblick.

 

War da nicht gerade eine Gestalt am Ende des Flures?

War da nicht gerade eine Gestalt am Ende des Flures?

 

Wer versteckt sich da hinter dem Vorhang?

Wer versteckt sich da hinter dem Vorhang?





 

Ein paar Budapest Impressionen – Die eleganteste Stadt Europas

Das behauptete zumindest Thomas Mann. Mit seinen einzigartigen Jugendstil-Bauwerken, der blauen Donau, die sich mitten durch die Stadt ihren Weg bahnt, mit seinen Thermalquellen und einer herrlich gemütlichen Kaffeehauskultur kann Budapest locker mit Paris oder Wien mithalten. 1873 wurden die beiden Städte Buda und Pest vereint, doch die einstige Teilung ist bis heute zu spüren. Am hügeligen Westufer der Donau liegt Buda. Das renovierte Altstadtviertel, die schmalen Gassen und der berühmte Burgpalast erinnern an die glanzvolle Zeit der Habsburger. Östlich der Donau, über neun Brücken zu erreichen, liegt Pest, die quirlige Stadt der Studenten, Arbeiter, Künstler und Kaufleute. Hier in der Innenstadt mit ihren Jugendstilbauten und Prachtboulevards pulsiert das Leben, hier sind Theater, Handwerk und Vergnügungsviertel – und der alte Spruch der Budapester “in Buda wohnen und in Pest leben” gilt noch heute. (Quelle: www.zehn.de/budapest-ungarn-139727-10)


Weissbrot mit Frischkäse und toller Aussicht zum Frühstück

Weissbrot mit Frischkäse und toller Aussicht zum Frühstück

 

Ein wahres Highlight: Die Fahrt mit der Metro. Auf endlos langen Rolltreppen fährt man hinab und verliert jedes Gefühl für oben und unten.

Ein wahres Highlight: Die Fahrt mit der Metro. Auf endlos langen Rolltreppen fährt man hinab und verliert jedes Gefühl für oben und unten.

 

Im warmen Sonnenlicht ist es jedoch wesentlich angenehmer

Im warmen Sonnenlicht ist es jedoch wesentlich angenehmer

 

I´m walking...

I´m walking...

 

Auf einer Länge von 40 Metern wurden sechzig Paar Schuhe aus Metall am Boden angebracht. Es ist zum Gedenken an die ungarischen Jude,n die 1944 und 1945 am Donau-Ufer zusammengetrieben und erschossen wurden. Die Schuhe stehen oder liegen „wie zufällig“ übrig geblieben.

Auf einer Länge von 40 Metern wurden sechzig Paar Schuhe aus Metall am Boden angebracht. Es ist zum Gedenken an die ungarischen Juden, die 1944 und 1945 am Donau-Ufer zusammengetrieben und erschossen wurden. Die Schuhe stehen oder liegen „wie zufällig“ übrig geblieben.






 

Kapitel 10: Die Flucht vor dem Alltag
UNGARN

Abschalten (Für die Dauer einer 200gr Packung Butterkekse)

Abschalten (Für die Dauer einer 200gr Packung Butterkekse)

Ein Tag wie jeder Andere

Die Flucht vor dem Alltag. So haben wir unsere Reise oft beschrieben. Abschalten von dem Stress, den das alltägliche Leben bietet. Die Seele baumeln lassen. Sich Zeit nehmen. Auf andere Gedanken kommen. In der Planung klang das soweit recht einfach. Man setzt sich auf sein Fahrrad und fährt los. Ein Jahr lang Freizeit. In der Realität muss ich feststellen, sieht das Ganze schon ein wenig anders aus. Denn auch in das Leben eines Fahrradnomaden, schleicht sich irgendwann der Alltag ein. Und unstressig ist dieser auch nicht. Unser Leben wird zur Zeit vor Allem durch drei Faktoren bestimmt: Essen, Schlafen und Vorankommen. Man sitzt denn ganzen Tag auf dem Fahrrad, kann aber auch nichts Anderes nebenher machen. Wir versuchen uns zwar immer wieder im freihändig fahren, doch es klappt bisher nur für wenige Microsekunden. Also hat man die Hände den ganzen Tag am Lenker. Man kann nicht schreiben, man kann nicht Lesen (Ich habe es versucht, aber es holpert einfach zu sehr und wenn ich beim Fahren lese, wird mir immer schlecht). Auch die tägliche Schlafplatzsuche ist eine durchaus anstrengende und nervenaufreibende Angelegenheit, wie ich an einem kurzen Beispiel demonstrieren möchte:


Grundsätzlich fahren wir den ganzen Tag durch tolle Landschaften, perfekt geeignet zum unentdeckten Zelten. Doch wenn sich der Abend nähert, stehen wir inmitten einer Stadt. Wie in Esztergom. Schnell kaufen wir in einem kleinen Laden noch ein bisschen Wasser und Verpflegung ein. Ständig fahren Polizei Wagen vorbei und auch die Leute in dieser Gegend machen nicht den vertrauenswürdigsten Eindruck. Vielleicht liegt es auch einfach an der stetig zunehmenden Dunkelheit. Da erscheint mir das Meiste nicht mehr ganz so geheuer wie im Sonnenlicht. Auf unserer Karte ist ein Zeltplatz eingezeichnet, den wir auch schnell finden, aber vor verschlossenen Toren stehen. Der ungarische Besitzer, welchen wir entschlossen anrufen, um zu fragen, ob wir nicht für eine Nacht unser Zelt aufschlagen dürfen, bleibt stur: ” Ab erstem Mai!” Das Tor ist definitiv zu hoch, um die Fahrräder darüber zu heben. Meine Laune sinkt abrupt auf den Nullpunkt. Ein paar Meter weiter findet sich ein Pub mit angrenzendem Youth Hostel. Ich laufe den Hoteleingang suchend durch den Vorhof und bekomme von einem Mann, der in einer biertrinkenden Gruppe sitzt, auf meine Frage nach dem Eingang gesagt: “Yes. Hotel is everywhere!” Danke für die Auskunft! An der Pubbar steht eine arg geschminkte Ungarin in Pink, mit Fakewimpern und einem überaus tiefen Dekolté. Sie lässt mich eine Weile warten, da sie gerade mit zwei weiteren Bier trinkenden Jungs flirtet, welche mich kritisch von oben bis unten mustern. “Ja Jungs, die High Heels habe ich irgendwie zu Hause vergessen. Das ist mein Fahrrad-Outdoor-Outfit! Ich bin nämlich gerade auf einer Fahrradweltreise”, denke ich und finde es gleichermaßen erstaunlich, was Kleidung doch ausmacht und wie anders Leute einem dadurch begegnen. Gut, man muss zugeben nachdem wir heute mittag unsere Ketten gewechselt haben, sehen unsere Hände aus, als wären wir schon vier Jahre auf Weltreise. Nachdem sie mir dann doch endlich den Zimmerpreis verraten hat, begegne ich auf dem Weg nach draussen wieder der Bier-trinkenden Gruppe: “You stay here tonight?” “Maybe”, sage ich, da ich mich erst mit Timm absprechen muss. Timm also wieder rein, um das Zimmer zu buchen und erhält als Antwort: “No rooms!” Ah ja. Auch etwas wechselhaft die gute Dame. Mein Knie schmerzt und ich weiß nicht mehr, ob ich nun sauer bin, enttäuscht oder einfach müde. Also fahren wir weiter durch die Dunkelheit die Donau entlang. Die lässt erahnen, welch tolle Stadt Esztergom bei Tageslicht sein muss. (Und tatsächlich lesen wir am nächsten Tag, dass Esztergom einer der schönsten und bedeutesten Städte Ungarns ist. Aber bei Nacht sieht eben auch die schönste Stadt irgendwie gespenstisch aus). Es ist Samstag Abend. Überall entlang des Ufers tauchen Menschen auf. Mal ein Angler, mal eine Gruppe Jugendlicher, die sich einzig durch das Glühen ihrer Zigaretten bemerkbar machen. Mal eine schwarze Silhouette einer Person. Hinter uns dröhnt die laute Musik eines Festes in der Stadt. Timm fährt ein ganzes Stück vor mir. Da meine Augen im Dunkeln nicht die besten sind folge ich einfach dem Leuchten seines Rücklichts und übersehe dadurch das ein oder andere Schlagloch. Ist mir in dem Moment aber eigentlich auch egal. Das rote Licht vor mir hält an. “Was hälst du hier von?” Links des Weges ist ein bewaldeter Kiesstrand, rechts eine große Wiese. Dahinter ein paar vertrauenserweckende Häuser. “Ok”, sage ich nach kurzer Überlegung.



Nach einer gruseligen Nacht kurz hinter Esztergom, stellen wir am Morgen fest, dass es eigentlich Nichts zum Gruseln gab.

Nach einer gruseligen Nacht kurz hinter Esztergom, stellen wir am Morgen fest, dass es eigentlich Nichts zum Gruseln gab.

Durch einen minimal kleinen Schlitz meines Schlafsacks blinzel ich nach Draussen. Es wird langsam hell. Sechs Uhr. “Gott sei Dank! Wieder eine Nacht überlebt!” Ok, das klingt wahrscheinlich etwas zu dramatisch. Dennoch bin ich froh morgens aufzuwachen, ohne dass in der Nacht irgendwelche Zwischenfälle eingetreten sind. Noch fällt mir das Campen in freier Natur nicht ganz einfach. Sobald es dunkel wird schleichen sich die verrücktesten Gedanken, wahrscheinlich geprägt durch verschiedenste Horrorfilme (Danke Hollywood!) in meinen Kopf. Ich stelle mir vor, was ist, wenn da plötzlich eine unheimliche Gestalt im Dunkeln steht oder leuchtende Augen durch den Luftschlitz unseres Zeltes spähen… Die Realität ist weitaus harmloser. So sieht der Donaustrand am Morgen im hellen Sonnenlicht nahezu idyllisch aus. Ein Angler sitzt nur in fünzig Meter Entfernung und lässt sich nicht sonderlich durch unsere Anwesenheit stören.



Wenn uns Jemand so sehen würde, wären wir ihm sicher auch unheimlich.

Wenn uns Jemand so sehen würde, wären wir ihm sicher auch unheimlich.

Und so ist es eigentlich immer. Wir versuchen zwar unser Zelt so aufzubauen, dass uns Niemand sieht, aber manchmal ist das einfach nicht möglich. Und wenn dann doch noch ein verspäteter Spaziergänger oder Radfahrer vorbeikommt, sind diese nicht unheimlich, sondern grüßen sogar nett. Im Weitergehen hört man sie oft sagen: “Die sind ja verrückt, um diese Jahreszeit zu Zelten!” Das denke ich mir dann auch. Ich glaube, die Ängste die man hat, kommen wirklich größtenteils aus Grusel-Geschichten und Horrorfilmen, die auf den Grundängsten der Menschen aufbauen. Die Dunkelheit verändert vieles und lässt so manchen Ort viel gruseliger wirken, als er in Wirklichkeit ist. Tatsächlich bietet sie uns Schutz, denn auch wir sind in der Nacht kaum noch zu Entdecken. Und bisher haben wir es noch nicht erlebt, dass nach Einbruch der Dunkelheit abseits der Wege irgend Jemand war. Denn andere Menschen haben schließlich auch Angst im Dunkeln…



Fusswäsche am Morgen

Fusswäsche am Morgen

Dennoch versuchen wir nicht zu sehr aufzufallen. Morgens packen wir recht zügig und inzwischen routiniert unsere Sachen: Taschen zurück ans Fahrrad, Schlafsachen einrollen, Zelt abbauen, Morgenhygiene, los fahren. Sobald die Sonne sich zeigt und der Körper auf Betriebstemperatur kommt, wird gefrühstückt. Dann heißt es wieder Fahren. Zwischendurch wird eingekauft, fotografiert, gefilmt, geschaut, gestaunt, gestritten, gelacht, getankt, gegessen, Schlafplatz gesucht.
Und so rasen die Tage fast schneller vorbei, als uns lieb ist.



Tanken für einen Euro

Tanken für einen Euro

Reisen statt Rasen

Mein Blick wandert von der Strasse vor mir immer wieder in Richtung Kilometerzähler. “Oh man! Erst 24 Km. Und es ist schon wieder fast ein Uhr.” So sind unsere ersten Tage verlaufen. Ständig hatten wir das Gefühl, unter Zeitdruck zu sein. Ein Tag ist im Moment auch nicht besonders lang. Die Sonne geht um halb sieben auf und verschwindet spätestens um sechs Uhr wieder. In der Zwischenzeit müssen wir möglichst viele Kilometer fahren, um Voran zu kommen. Wir müssen einkaufen, da wir nicht den Proviant für zwei Wochen mit uns herum fahren wollen. Und ab spätestens fünf Uhr heißt es Ausschau nach einem geeigneten Schlafplatz halten, um das Zelt noch vor der Dunkelheit aufzubauen und im Hellen zu Kochen. Oft kommt dazu, dass wir eine Menge Zeit damit verbringen, ein Internetcafé zu suchen um Berichte zu schreiben, Fotos zu sichten und unsere Webseite zu aktualisieren. (Wie ihr merkt, haben wir nicht stundenlang Zeit, die Berichte perfekt auf korrekte Rechtschreibung zu überprüfen. Wir bitten deshalb um Verständnis, für den ein oder anderen Rechtschreibfehlre.)

Ich denke, das Wichtigste bei dieser Reise ist nicht, jeden Tag eine neue Kilometerleistung zu erradeln. Es geht nicht darum zu sagen: “Juhu, ich bin in einer neuen Rekordzeit in China angekommen. Land und Leute? Keine Ahnung. Hatte ich keine Zeit für.” Sondern vielmehr, dass es eine tolle Reise war, mit schönen Momenten und Begegnungen. Dass man Kultur gesehen und erlebt hat. Sich Zeit nehmen. Vielleicht fahren wir an einem Tag nur fünf Kilometer, haben dafür aber Jemanden kennengelernt, der uns eine private Stadtführung geboten hat. Waren zu Gast bei einer Familie und haben landestypische Hausfrauenkost gegessen oder lagen einen Tag auf einem Hügel in der Sonne und haben die grandiose Aussicht genossen.



Ungarischer Schmied in Visegrad. Der Sitz der ungarischen Könige im 14. Jhd.

Ungarischer Schmied in Visegrad. Der Sitz der ungarischen Könige im 14. Jhd.

Timm: Begeistert stelle ich fest, dass nicht nur die Kultur, die Menschen und die Landschaft ein Land ausmachen. Der Geruch, die Geräusche und die vielen Kleinigkeiten prägen mein Bild von Ungarn im Moment noch viel mehr. In den kleinen Dörfern mit ihren geschotterten Seitenstraßen. Wo Gehwege noch Trampelpfade sind. Wo Oberleitungen von Haus zu Haus, über ein Wirrwarr aus Kabeln auf dem Kirchplatz zusammenlaufen. Wo die Hunde kläffend ihr Revier verteidigen und die Hühner frei durch den Garten laufen. Da riecht es nach Lagerfeuer und mir läuft jedesmal das Wasser im Mund zusammen. Wenn ich daran denke, ein einfaches Stockbrot – wie wir es als Kinder manchmal gegessen haben – über den brennenden Laubhaufen zu halten. Die Straßen sind beinahe diesig vom Rauch. Die Autos – meist rostige Reliqiuen, denen man das Alter deutlich anhört – holpern mit hochgestapelten Gegenständen auf den Dächern über von Schlaglöchern übersähte Straßen. Und ich denke, jeden Moment zerlegt es das Auto in seine Einzelteile. Auffällig ist auch, dass in den Autos meist drei oder vier Personen sitzen, was irgendwie an ein “Drive By Shooting” aus Harlem erinnert, wenn das vollbeladene Auto mit vier Männern besetzt langsam an einem vorbei rollt, und ihre Köpfe im Rythmus der Straße wippen, wie mit Lowridern zu einem Beat von 2Pac. Aber wahrscheinlich ist es wohl einfach eine Frage der Ökonomie.


Kapitel 9: Drei Länder an einem Tag
A-SK-HU

Auf einem ungewollten Umweg, entdecken wir den alten Baum, welcher als Hochsitz dient.

Auf einem ungewollten Umweg, entdecken wir den alten Baum, welcher als Hochsitz dient.

Planlos durch Wien

Montag, 12. März 2012

Die Räder lassen wir bei Uli und Bine. Es fühlt sich unheimlich entspannt an, ein mal ohne sie unterwegs zu sein. Man kann in ein Geschäft gehen, ohne ständig nervös zu schauen, ob sie noch da sind. Als wir am Stephansplatz aus der U-Bahn aussteigen, ist es nahezu Pflicht einen kurzen Blick in den zwar schönen aber absolut touristisch vermarkteten Stephansdom zu werfen. Für mich geht durch die knipsenden Touristen, die durch eine metallene Absperrung den laufenden Gottesdienst beobachten, leider jede Atmosphäre verloren. Überall stehen Schilder, die auf Führungen hinweisen und zu Spenden zu Gunsten der Kirche aufrufen. Dazu kann sich jeder selbst seine Meinung bilden. Danach laufen wir im wahrsten Sinne des Wortes planlos durch Wien. Wir gönnen uns ein “Wiener” Schnitzel im Brötchen aus dem Supermarkt und folgen den Pferdekutschen, in der Hoffnung, dass sie uns zu den “Attraktionen” Wiens führen. Timm meckert, dass das ohne Stadtplan keinen Sinn macht. Ich bin irgendwie müde. Das Wetter ist stürmisch und kalt. Plötzlich stehen wir vor der architektonisch beeindruckenden Wiener Hofburg und stellen fest, dass egal welche Tür man öffnet – sei es das Sissi-Zimmer, die Bibliothek oder die Hofreitschule – Geld verlangt wird. Das ist anstrengend und wir wünschen uns Jemanden, der sich in der Stadt auskennt, so dass man eher die Nicht-touristische Seite dieser Stadt kennenlernt. Wir gestehen uns ein, dass wir eigentlich ein bisschen Erholung brauchen, anstatt dieses “touristisches Pflichtprogramm” zu absolvieren, kaufen uns eine leckere Tiefkühlpizza (für uns Luxus, da wir sonst ja keinen Backofen dabei haben) und machen es uns im warmen Zimmer bequem.



Mit dem Fahrrad in den sechsten Stock. Passt gerade so.

Mit dem Fahrrad in den sechsten Stock. Passt gerade so.

Kleiner Abstecher

Mittwoch, 14. März 2012

Unsere erste richtige Grenze. Ein Hauch von Nervosität macht sich breit. Die Zeit bis jetzt, könnte man als eine Art Übungsphase bezeichnen. Alles war noch so vertraut. Die Landschaft, die Menschen, die Sprache. Das wird sich jetzt ändern. Während wir uns noch Gedanken machen, welche Ausweise wir vorzeigen müssen, sind wir schon an dem größtenteils verwahrlosten Grenzgebäude vorbei gefahren und stehen in der Slowakei. Das ging einfach. Kein Zoll. Keine Ausweise. Irgendwie schade. Nahezu unspektakulär. Aber es ist anders. Die Umgebung hat sich verändert. Hauptsächlich ist es wohl die Sprache, die das Unvertraute ausmacht. Man fühlt sich ein wenig verloren und hilflos. Nicht lesbare Aneinanderreihungen von Buchstaben auf den vielen überdimensionalen Plakatwänden, die fernab jeder Ästhetik alle paar Meter entlang der Strasse stehen. “Home is where they understand you” ist der einzige Schriftzug, den ich verstehe. Wie wahr. Peinlich wird uns in diesem Moment bewusst, dass wir noch nicht einmal wissen, was “Guten Tag” auf slowakisch bedeutet. So nicken wir den Leuten einfach freundlich zu. Manche tun es uns gleich. Wir fahren an Bratislava vorbei und der Kontrast zu Österreich wird sofort deutlich. Die Mülltrennung – das Wort ist noch übertrieben – die Müllentsorgung wird hier auf andere Art und Weise gelöst. Ein Bild, an das wir uns ab jetzt wahrscheinlich gewöhnen müssen. Viele Häuser scheinen verlassen und die Natur holt sich diese Orte langsam zurück. Man sieht, wo Geld ist und wo nicht. Wer es hat, fährt ein auffällig großes und am besten besonders lautes Auto. Ein Statussymbol, welchem hier wohl sehr große Bedeutung zugemessen wird. Auf einer Art Fahrradautobahn, die so breit ist wie eine normale Strasse, links und rechts durch durchgängige Leitplanken gesichert, fahren wir kilometerlang geradeaus. Einige mehr auf Geschwindigkeit bedachte Radfahrer in bunten Trikots, zischen an uns vorbei. An einer See ähnlichen Verbreiterung der Donau (Zdrz Hrusov) machen wir kurz Pause und überlegen, ob wir die Nacht hier verbringen sollen. Aber es ist erst vier Uhr. Mit Blick auf die Karte stellen wir fest, dass wir nur zwei Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt sind. Mit dem Fahrrad durch drei Länder an einem Tag klingt irgendwie gut. Und so schnell, wie wir in die Slowakei hineingefahren sind, fahren wir auch wieder heraus.



Ein verlassenes Stadion bei Bratislava

Ein verlassenes Stadion bei Bratislava

Frühlingsgefühle

Unsere erste Nacht in Ungarn verbringen wir auf einem verlassenen Campingplatz. Naja, verlassen ist er wahrscheinlich nur solange, bis die Touristenströme Anfang Mai eintreffen. Unsere Bemühungen den Besitzer ausfindig zu machen scheitern. Also schlagen wir unser Zelt einfach so auf. Vielleicht ist das auch besser so. Schließlich kam es für uns sehr überraschend heute schon in Ungarn zu sein, so dass wir keine Möglichkeit hatten ungarische Forint abzuheben. Wir haben also überhaupt kein Geld. Man kennt das als verwöhnter EU-Bürger gar nicht mehr. Geld wechseln. Und das in Ungarn, obwohl es doch auch ein EU-Land ist. Und überhaupt. Ungarn? Ich stelle fest, dass ich eigentlich kein Bild von dem Land habe, in dem wir uns nun befinden. Klar, ich als Pferdenärrin habe sofort einen ungarischen Hirten im Kopf, der auf vier Pferden stehend durch die Puszta galoppiert. Aber wie sind die Menschen? Wie begegnen sie uns? Und wie sieht die ungarische Landschaft aus? Wir lassen uns überraschen…



Durch ein ungarisches Dorf. Einstöckige Häuser in pastelligen Farben.

Durch ein ungarisches Dorf. Einstöckige Häuser in pastelligen Farben.

Der nächste Morgen begrüßt uns freundlich. Ich spähe durch den kleinen Lüftungsschlitz im Zelt. Sonne in Sicht! Der Campingplatzbesitzer, auf dessem Grundstück wir uns ja unerlaubterweise befinden, zum Glück nicht. Ungarn zeigt sich uns von seiner schönsten Seite. Es ist mild, die Sonne scheint und überall liegt der Duft von kleinen Garten-Feuern in der Luft. Die Leute sind auf der Strasse und schneiden Hecken und Bäume. Das Land putzt sich heraus für den Frühling. Das überall hallende Kläffen der Hunde hinter den Gartenzäunen nehmen wir schon bald nicht mehr wahr. Es scheint so, als würde Hund Nummer eins am Dorfeingang alle anderen informieren (vielleicht: “Hey Jungs, Radfahrer in Sicht!”) woraufhin alle in ein gemeinsames Bellen einstimmen. Die Leute schauen neugierig und begegnen uns freundlich bis begeistert. Diesmal haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und grüßen auf ungarisch mit “Szia!”. Worauf jedoch oft ein “Hallo” zurückkommt. Entlang des Radweges merkt man den deutschsprachigen Einfluss und Schilder wie “Zimmer frei” findet man haufenweise. Wir heben an der Bank nun endlich ungarische Forint ab und machen somit aus hundert Euro 29.000 HUF. Es kommt einem vor, als wäre man nun reicher. Wir sind erstaunt, wie viele Radfahrer an diesem Wochentag unterwegs sind. Das Wetter ist zwar super, aber müssen die denn nicht arbeiten? Ansonsten wirken die Dörfer eher verlassen. Kein Restaurant oder Geschäft hat offen. Wir fahren eben nicht in der Hauptsaison. Als wir dann jedoch die etwas größere Stadt Györ erreichen, wo wir eigentlich unsere vorräte auffüllen wollen, stehen wir ebenfalls vor verschlossenen Türen. Eine alte Dame kommt mit ihrem Rad, das seine besten Zeiten wohl schon hinter sich gebracht hat, angerollt. “Deutsch? Englisch? – Heute ist Nationalfeiertag. Zu. Geschlossen.” Hatten wir schon erwähnt, dass wir immer Sonntags die größeren Städte erreichen? Dass heute kein Sonntag ist, hatten wir bedacht. In einem kleinen Tante-Emma-Laden (die ungarische Bezeichnung kennen wir leider nicht) bekommen wir alles, was wir brauchen. Es ist ein wahres Einkaufserlebnis. Bis zur Decke ist der kleine Raum mit Allem gefüllt, was das Herz – oder der Magen – begehrt. Und mit Menschen, denn es scheint wohl der einzige Laden zu sein, der heute offen hat. So machen wir uns, mit gefüllten Taschen weiter auf die Reise.



Traumhafter Zeltplatz

Traumhafter Zeltplatz


Bábolna

Freitag, 16. März 2012

Es sind fünfzehn Grad! Die Sonne scheint. Wir gönnen uns eine Mittagspause mit leckerem Nutellabrot auf dem Dorfplatz von Bábolna. Direkt hinter uns befindet sich das ungarische Nationalgestüt, wo uns anmutig ein eiserner Shagya-Araber-Hengst empfängt. Den für diese Pferderasse typischen edlen konkav geschwungenen Kopf trägt er hoch und sein Schweif weht im Wind. Als wir durch die hohen Mauern in den Gestütshof treten (dieser Eintritt kostet uns vier Euro), präsentiert sich ein sehr gepflegter Gestütshof. Das Bild wird jedoch schnell getrübt. Die edlen Vollblüter, die man sich eher galoppierend auf grünen Weiden vorstellt, stehen in kleinen dunklen Stallgassen, welche ihnen jeden Glanz und Ausdruck nehmen. Enttäuscht ziehen wir durch die Gänge und begutachten die schönen Tiere hinter eisernen Gitterstäben. Dies ist wahrlich nicht das Bild, welches ich von einem Nationalgestüt im Kopf hatte.
Eine kleine Information für meine Pferdefreunde:
Nach einigen Rückschlägen durch die Kreuzungszucht mit Hengsten spanischen Blutes und Englischen Vollblütern verlangte die Gestütsoberdirektion im Jahre 1836 erneut die konsequente Ausrichtung auf Arabische Pferde. In Folge dessen unternahm der damalige Gestütskommandant Major Freiherr Eduard von Herbert persönlich eine Expedition nach Syrien und erwarb dort von Beduinenstämmen fünf Zuchtstuten und neun Hengste. Einer der Hengste war Shagya, den Freiherr von Herbert dem Stamm der Beni Sakhr sechsjährig abkaufte und der 1978 der Namensgeber der Rasse des Shagya-Arabers wurde. Shagya wurde beschrieben als geäpfelter Honigschimmel und entsprach in jeder Hinsicht dem Zuchtideal Bábolnas für den Shagya-Araber, dass auf großrahmiges Exterieur, einen edlen Typ und große Ausdauerleistung abzielte, da die Rasse als Reit- und Fahrpferde gezüchtet werden sollte.



Shagya Araber hinter Gittern

Shagya Araber hinter Gittern


Ungarisches Nationalgestüt in Bábolna

Ungarisches Nationalgestüt in Bábolna






Der skandinavische Angelverein

Auch hier wieder das gleiche Bild, wie wohl im restlichen Ungarn. Die Campingplätze sind geschlossen. Ich habe nicht sonderlich Lust heute noch weit zu fahren. Wir schleppen uns entlang einer Landstrasse einen Berg hinauf. Ab hier verlassen wir das ungarische Flachland und nehmen eine Strecke durch die Weinberge. Meine Kräfte sind am Ende. Außerdem drückt meine Blase. “So, ich muss jetzt hier mal anhalten!” Ein kleiner Weg geht links ab. Ich laufe ein Stück auf der Suche nach einem geeigneten Ort und entdecke hinter der Kuppe ein kleines Paradies. In der Abendsonne liegt dort unten in einem kleinen Tal inmitten der ungarischen Hügellandschaft ein See. Am Ufer liegen in Reih´und Glied kleine Holzhütten, die eher an Skandinavien erinnern, als an Ungarn. Auf kleinen, hölzernen Stegen sitzen einige Angler. Kinderstimmen sind zu hören. Herrlich. Wir entschliessen uns hinunter zu fahren, um eine Übernachtungserlaubnis zu erhalten. Ein Risiko, denn den Berg, den wir gerade hinunterrollen wieder hinaufzufahren scheint für meine Beine heute Abend ein Ding der Unmöglichkeit.
Timm: Vorbei an “Durchfahrt verboten” Schildern rollen wir in Richtung des größten Hauses, in der Hoffnung dort jemanden zu finden, der für diese Angler-Oase verantwortlich ist. Mit Händen und Füßen frage ich mich von Angler zu Angler bis hin zur Chefin durch. Bisher war keiner dabei, der Englisch spricht. “Do you speak English?” frage ich sie verunsichert. Die Frau zuckt mit den Schultern. Nicht einmal diesen Satz scheint sie verstanden zu haben. Ok. Hier stehen zwei Menschen gegenüber, die sich einfach nicht verstehen. Stille. Meine Unsicherheit hat sich jetzt auch auf die Dame übertragen. Peinlich berührt lässt sich mich trostlos auf der Veranda des Hauses stehen. Hilfesuchend drehe ich mich zu Lorena, die einige Meter hinter mir steht und das Trauerspiel beobachtet hat. Ich sehe ihr an, dass sie zu müde ist noch weiter zu fahren und versuche einen zweiten Anlauf. Diesmal mit Block und Stift. “Zelt” und “Nacht” krizzel ich auf das Papier. Sie redet ungarisch und deutet auf die Wiese hinter uns. Sie lächelt. Die Hoffnung auf eine ruhige Nacht wächst. Dann lässt sie mich erneut stehen und geht fort. Zurück kommt sie mit einem kleinen schüchternen rothaarigen Mädchen. Angestrengt kratzt sie ein paar Wörter Englisch zusammen. “Camping”. “OK”. Erleichtert bedanke ich mich mit einer tiefen Verbeugung und wiederhole die Worte “Köszönöm”, “Köszönöm” und komme mir dabei vor, als wäre ich ein Japaner. Mittlerweile ist es dunkel. Es gibt sogar eine Dusche. Ich frage nach dem Preis und was sie dafür haben möchte. Zwei junge Leute an der “Rezeption” fangen an zu lachen und in meiner Fantasie höre ich sie sagen: “Hahaha, schau mal der Deutsche da, der glaubt das hier ist ein Campingplatz. Hahahaha!” Nach einer heißen Dusche und einer extra Portion Spaghetti mit Rahmspinat legen wir uns ins Zelt am See. Ich höre noch einer Weile den Angler und ihren Hightech-piepsenden-Angeln zu, während ich ins Reich der Träume gleite.
Der nächste Morgen wartet mit einer schönen Überraschung auf uns. Es ist Samstag und die Angler von letzter Nacht werden von neuen Anglern am Morgen abgelöst. Darunter auch eine kleine Familie mit zwei Kindern, die Ihr Anglerglück direkt neben unserem Zelt probieren. Während ich noch darüber nachdenke, wie schön es wäre mehr Kontakt zu den Leuten zu haben, beisst bei der Familie ein dicker “Ponty” (auf deutsch: Karpfen) an. Begeistert zücke ich meine Kamera und frage, ob ich fotografieren darf. Noch besser, ich kann den Fisch sogar halten. Das erste Eis ist gebrochen und die Kinder haben großen Spaß uns ungarisch beizubringen. Die zehnjährige Gabriella hat Deutsch in der Schule und der sechszehnjährige Sándor Englisch. Vereinzelt fehlen den Beiden dann doch die Vokabeln und so müssen Block und Stift wieder herhalten. Zwei Seiten werden mit den unterschiedlichsten Symbolen und Zeichnungen bemalt, bis unsere Köpfe rauchen. Jetzt wissen wir endlich was “Zelt” heisst (sátor). Mit den Worten “Wir sind Freunde”, verabschiedet sich Gabriella von uns und wir radeln frisch gestärkt und motiviert Richtung Berge.



Angleroase bei Tata

Angleroase bei Tata


Angler in Aktion

Angler in Aktion




Glücklich halte ich den Fang in den Händen, ohne etwas dafür getan zu haben.

Glücklich halte ich den Fang in den Händen, ohne etwas dafür getan zu haben.




Gabriella versucht Lorenas Tagebuch zu lesen

Gabriella versucht Lorenas Tagebuch zu lesen


Lorena lernt Ungarisch

Lorena lernt Ungarisch

Kapitel 8: Gastfreundschaft
WIEN

Kekse. Unsere Hauptnahrung. Lorena muss aufpassen, dass sie noch welche abbekommt.

Kekse. Unsere Hauptnahrung. Lorena muss aufpassen, dass sie noch welche abbekommt.

Von Linz nach Wien

Donnerstag, 08. März 2012

Nach einem herrlichen Sonnentag in Linz, den wir allerdings im McDonalds mit dem Updaten unserer Berichte verbracht haben, brechen wir am Donnerstag Mittag bei Regen in Richtung Wien auf. Wir haben wirklich ein Talent dafür entwickelt, die Pausentage in den Städten so zu legen, dass es ein Sonnen- und Sonntag ist. Da der Tag schon recht weit voran geschritten ist, beschliessen wir, kurz nachdem wir die städtische Gegend um Linz hinter uns gelassen haben, auf einer
Wiese neben dem Donauwall unser Zelt aufzuschlagen.


Timm träumt und schaut sich die Misteln an.

Timm träumt und schaut sich die Misteln an.

Freitag, 09. März 2012

Nachdem ich gestern Abend zum ersten mal das Pfefferspray verkrampft umklammert habe, weil in der Dunkelheit ein Spatziergänger mit seinem Hund um unser Zelt gestiefelt ist, wollen wir heute unsere ersten 100 Kilometer an einem Tag fahren. Diese magische Zahl ist ein Wert, dem man immer wieder begegnet, wenn man durch verschiedenste Internetseiten von Fernradlern stöbert. Hundert Kilometer im Durchschnitt. Das müssen wir doch auch mal schaffen. Momentan liegt unser “Durchschnittswert” bei etwa der Hälfte. Und es liegt nicht daran, dass wir zu langsam fahren. Sondern eher, weil wir ständig anhalten. Mal machen wir einen Stopp am Supermarkt oder an der Tankstelle, immer wieder finden sich Orte oder Szenerien, die fotografiert oder gefilmt werden möchten, mal lässt einen der Hunger stoppen oder man trifft Menschen, mit denen man sich eine Weile unterhält. So auch ein Pärchen, auf welches wir an diesem Tag vier mal stoßen. Timm springt kurz in den Baumarkt, um etwas zu besorgen. Das pensionierte Pärchen kommt mit Cityrollern auf mich zu und bleibt neugierig stehen. Wir unterhalten uns eine Weile, sie geben mir Tipps für den weiteren Streckenverlauf.


Unser Zeltplatz mit Blick auf die schöne Stadt Grein.

Unser Zeltplatz mit Blick auf die schöne Stadt Grein.

Wir entdecken ein kleines Dorf mit idealer Zeltwiese und wollen um Rasterlaubnis fragen. Doch wer ist bei den Temperaturen um diese Uhrzeit schon auf der Strasse? Richtig – Niemand. Während ich überlege, an welcher Türe wir klingeln könnten, um zu fragen, höre ich Timm`s Stimme hinter mir: “Grüß Gott. Wäre es möglich, dass wir heute Nacht unser Zelt auf der Wiese aufschlagen?” Wir dürfen! Schnell spricht sich unsere Anwesenheit in dem kleinen Ort herum und als wir uns gerade mit einer heißen Linsensuppe und Würstchen in unser Haus aus Stoff verkrümmeln wollen kommt eine dunkle Gestalt auf uns zu. “Hallo, ihr seid ja verrückt! Im Sommer zelten sie ja öfter mal hier. Aber um die Jahreszeit! Hier habe ich heißes Wasser und Tee für euch.” Sie drückt uns zwei Plastikboxen in die Hand. “Und falls ihr sonst irgend etwas braucht, sagt bescheid!” Wir verquatschen uns ein wenig. Während die Linsensuppe vor sich hin dampft, erzählt sie uns auch, dass die Radfahrer im Sommer schon sehr anstrengend werden können. “Die machen hier Urlaub und meinen die Strasse ist einzig für sie gemacht! Dass es aber der einzige Weg ist, zu unseren Häusern zu kommen, ist ihnen oft nicht bewusst.” Wir sind froh, abseits der Hauptsaison zu fahren, die Strecke in Ruhe genießen zu können und von den Leuten nicht als Teil einer radelnden, touristischen Masse angesehen zu werden. Hungrig machen wir es uns im Zelt bequem. Als wir eine der Plastikboxen öffnen, erwartet uns noch eine Überraschung: Selbstgemachter Kuchen und Kekse! Das klingt für euch wahrscheinlich gar nicht so besonders. Für uns war es in diesem Moment eine wahre Wohltat! Genüßlich verzehren wir die Leckereien und freuen uns über so viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft!


Familie Fischer überrascht uns mit Gebäck und Kuchen. DANKE!

Familie Fischer überrascht uns mit Gebäck und Kuchen. DANKE!

 

Nachts schläfts sich ruhiger, wenn man seine Nachbarn kennt.

Nachts schläfts sich ruhiger, wenn man seine Nachbarn kennt.

 

Schlafsäcke trocknen. Die Nacht war wieder kälter als sonst. der Boden ist gefroren. (Die Milch auch).

Schlafsäcke trocknen. Die Nacht war wieder kälter als sonst. der Boden ist gefroren. (Die Milch auch).

Samstag, 10. März 2012

Timm: Wir fahren mal wieder an der Donau entlang und ich bekomme fast schon das Gefühl, dass sich so Etwas wie Alltag einschleicht. Der Mp3-Player plätschert vor sich hin, die Kilometer und die Donau ebenfalls. Als plötzlich am Horizont ein Punkt auftaucht, der so aussieht wie wir. Spinn’ ich? Fahrradfahrer haben wir ja trotz Jahreszeit ab und zu schon getroffen, aber Einer der so schwer beladen ist? Ich werde langsamer, ziehe mir die Stöpsel aus den Ohren. Mein Grinsen wird breiter mit jedem Meter, den wir uns nähern. Verdammt, das ist ein Weltenbummler! “Wo kommst du denn her?” frage ich lachend. Er gibt mir zu verstehen, dass er kein deutsch spricht. Aus England kommt er. Wir mustern uns gegenseitig. Irgendwie sieht er doch nicht so aus wie wir, denke ich und frage, wie lange er schon unterwegs ist. 4 Jahre. 80.000 Kilometer. Lorena und mir fallen die Kinnladen runter. Wow! Ich hatte die Tage zuvor schon mit Sorgen den Verschleiss einiger unserer Teile beobachtet, aber Matt zeigt uns, wie wir in einem Jahr aussehen könnten. Locker bleiben. Er erzählt, dass Bine und Uli aus Wien uns schon erwarten und er schon über uns bescheid weiß! Das Wiener Pärchen hatten wir ein paar Tage zuvor über die Internet-Plattform Warmshowers.org angeschrieben. Es ist wie Couchsurfing für Radfahrer. Allerdings hatten wir seitdem keinen Zugang zum Internet und bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, ob wir einen Übernachtungsplatz bekommen. Wir müssen Lachen, das Matt vor uns darüber Bescheid weiß und die Welt doch so klein ist. Ich komm aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Es gibt so Viel, was ich ihn fragen möchte, habe aber Angst, dass er nach 4 Jahren schon müde vom Erzählen ist. Eine Stunde stehen wir dann aber doch auf dem Weg und tauschen begeistert unsere Erfahrungen und Adressen aus. Beziehungsweise teilt er uns seine Erfahrungen mit und wir lauschen. Das Grinsen bleibt für den Rest des Tages.


A bissl Schwund is immer.

A bissl Schwund is immer.

 

Lorena und Matt tauschen die Adressen aus. (www.worldwidebikeride.com)

Lorena und Matt tauschen die Adressen aus. (www.worldwidebikeride.com)

Es ist schon merkwürdig. Man fährt den ganzen Tag an den schönsten Plätzen vorbei, um sein Zelt aufzuschlagen. Eine kleine Bucht an der Donau mit eigenem Sandstrand. Eine wunderschöne Lichtung mit einem idyllischen See im Hintergrund. Weit und breit Nichts als Natur. Aber wenn es dann allmählich Abend wird und man wirklich Ausschau hält, befinden wir uns meistens mitten in einer dichtbesiedelten Wohngegend oder der Radweg verläuft zwischen einer Bundesstrasse und einer Zugstrecke. So auch an diesem Abend. Es ist Samstag, was bedeutet, dass in den kommenden Morgenstunden des Sonntags zahlreiche Spaziergänger an unserem Zelt vorbei pilgern werden. Also nichts mit einer ruhigen Nacht, welche ich aber dringend nötig hätte. Wir entschliessen uns, den im Radwegführer ausgeschriebenen Campingplatz aufzusuchen, finden aber nur eine Baustelle mit zugehöriger Wiese vor: “Camping ab 01. April.” Ja klar, wer will schon in dieser Jahreszeit campen. Bei einem kleinen Restaurant, vor dem sich auch ein Wohnmobilstellplatz befindet, fragen wir um einen Zeltplatz an. “Moment, der Chef kommt gleich. Er ist Polizist und weiß genau, wo man campen darf und wo nicht!” Na toll, denke ich mir. Mit Wildcampen wird das dann heute auch nichts mehr, nachdem wir nun so auf uns aufmerksam gemacht haben! Wider meiner Erwartung dürfen wir aber auf dem kleinen Wiesenstück unser Zelt aufschlagen und werden mit Gastfreundschaft überhäuft. Für uns wird dieser Aufenthalt ein wahrer Luxus. Wir dürfen die Toilette benutzen, es gibt für uns eine Bank und Stühle, eine exklusive Feuerwehrübung im Zuge eines Kindergeburtstages der Feuerwehr Rossatz und zu guter Letzt: WLAN! Nachdem wir Stunden damit verbringen in den größeren Städten ein freies W-Lan zu finden, sitzen wir nun auf einer Wiese in der Dunkelheit und skypen mit der Familie.


W-Lan im nirgendwo. Erstmal skypen!

W-Lan im nirgendwo. Erstmal skypen!

Sonntag, 11. März 2012

Die Beine schmerzen als wir aufstehen. Es ist einer der Tage, wo man das Gefühl hat, eigentlich überhaupt keinen Meter fahren zu können. Nach Wien sind es knapp 90 Kilometer. Halleluja! Und es ist stürmischer Wind und Regen angesagt. Das kann ja nur ein toller Tag werden. Einziger Lichtblick: Wir werden heute unsere ersten tausend Kilometer gefahren sein.
Timm: Als das Ereignis dann endlich eintritt, hält sich die Begeisterung allerdings in Grenzen. Die Vorfreude auf diesen Moment war weit spannender, als der Zeitpunkt, indem der Zähler dann tatsächlich umspringt. Ernüchtert machen wir eine kurze Mittagspause an der “Jubiläumsstelle”. Für einen kurzen Augenblick ist es windstill und ich baue den Kocher verträumt direkt auf dem Damm auf. Gerade, als die Flamme Betriebstemperatur erreicht, peitschen uns wieder die Böen um die Ohren. Frustiert über meine eigene Verpeiltheit kauer ich über den Kocher gebeugt auf dem Boden und halte krampfhaft den Windschutz fest. Lorena sitzt im Windschatten eines kleinen Kontroll-Häuschens und schaut mir belustigt zu.


1000 Kilometer. Das selbe nurnoch 17 mal. Klingt irgendwie machbar.

1000 Kilometer. Das selbe nurnoch 17 mal. Klingt irgendwie machbar.

Wir treten weiter in die Pedale, kommen aber bei Weitem nicht so gut voran wie gestern. Vielleicht ist es diese Gewissheit und der Druck, den man sich macht unbedingt an diesem Tag die neunzig Kilometer bewältigen zu wollen, welche einem die Strecke schier endlos erscheinen lassen. Wir stecken uns unsere MP3-Player in die Ohren und lassen unsere Gedanken schweifen, während wir die immer gerade, ebene Donau-Strecke entlangrollen ohne einem Menschen zu begegnen.
In der touristisch perfektionierten Stadt Tulln (sie bietet wohl Alles vom Badesee mit Wasserrutsche, über eine Mountainbikestrecke durch einen schön geplegten Stadtpark bis hin zum überdimensionalen Yachthafen mit Wasserbühne) machen wir eine kurze Pause am Nibelungendenkmal und tun das, was wohl alle Touristen dort tun.


Auf den Spuren der Nibelungen

Auf den Spuren der Nibelungen

Als ich bei der Weiterfahrt auf der schnurrgeraden Strecke gerade überlege, ob es möglich ist ein Buch während der Fahrt zu lesen, erleben wir unseren ersten richtigen Regenschauer. “Das kann man jetzt schon als Regen bezeichnen oder?” fragt Timm. Und ich schreie zurück: “Jaaa!”, in dem Moment als der vorherige Rückenwind in eine nasse Böe von der Seite umschwingt. Unsere Kleidung tut ihren Dienst gut – wir sehen darin aus, als könne man uns komplett ins Wasser werfen, ohne dass wir in irgendeinster Weise nass würden – und wir erreichen mit trockener Haut die Vororte Wiens. Sie erinnern uns an amerikanische Vorstädte. Meist sind es kleine Ferienhäuser, die auf Säulen gebaut sind, um sich vor dem Hochwasser zu schützen. Entlang Graffiti bemalter Mauern fahren wir in Wien ein. Ein über und über mit Reflektoren und Blinklichtern ausgestatteter Radfahrer – nicht zu vergessen die neongelbe Warnweste – begrüßt uns am Donaukanal und erklärt uns liebenswert, wie wir uns im Wiener Strassenverkehr zu verhalten haben: “Fahrt nicht zu weit rechts und lasst euch nicht von den Autos abdrängen!” “Ja, ja”, denke ich mir. Befolge den Rat im dichten Verkehr Wiens dann aber doch. Ob es nun Absicht ist oder Zufall: Durch ein längeres Hin- und Herfahren auf der Suche nach der richtigen Hausnummer springt unser Tages-Kilometerzähler just in dem Moment als wir vor der gesuchten Türe stehen auf 100,00. Ha! Und da haben wir es doch noch geschafft. Völlig erschöpft kommen wir um halb acht bei Bine und Uli an und sind froh, dass der Aufzug unsere bepackten Räder in den sechsten Stock befördert und nicht wir.

Das Erlebte auf der Reise war bisher noch sehr vertraut. Man spricht die gleiche Sprache. Man weiß, wo man einkaufen gehen kann und vor Allem, was man einkauft. Es war wie ein Vorbereiten auf Alles, was noch kommt. Wien ist für mich wie eine letzte Station, bevor es wirklich los geht. Auf in die Slowakei!


Lorenas Gute Laune am Morgen.

Lorenas Gute Laune am Morgen.

 

Gute Laune, die Zweite.

Gute Laune, die Zweite.

Kapitel 7: Goodbye Germany!
LINZ

Beim Frühstück schauen wir an einem Seitenarm der Donau einer Gruppe Ruderern beim trainieren zu.

Beim Frühstück schauen wir an einem Seitenarm der Donau einer Gruppe Ruderern beim trainieren zu.

Passau, unser Tor zur Welt

Passau: Samstag

Wir erreichen Passau. Unser letzter Stopp, bevor wir raus aus dem vertrauten Deutschland fahren und hinein in das „unbekannte Österreich“. Doch die Stadt zeigt sich uns nicht von ihrer schönsten Seite. Wir fahren über die Kraftwerksbrücke, durch ein Industriegebiet entlang hässlicher Bahngleise. Auf dem Radweg begegnen uns düstere Gestalten. So, das ist also Passau. Am Hauptbahnhof angekommen entdecken wir auch gleich unsere Pension. Sie befindet sich oberhalb einer Bäckerei und ist eine günstige Bleibe für durchreisende Radfahrer. Ein schlichtes, aber freundlich eingerichtetes Zimmer empfängt uns. Erst mal die Beine hoch legen!
Den gesamten Sonntag verbringen wir damit, unsere Ausrüstung neu zu ordnen und auszusortieren. Erst um halb zwölf machen wir uns auf den Weg Passau zu erkunden. Schmale verwinkelte Gassen mit wunderschön beleuchteten Fassaden lassen erahnen, warum Passau auch das Venedig Bayerns genannt wird. Die leeren Strassen, die Ruhe und die Kälte der Nacht wirken entspannend nach dem langen Tag in dem kleinen Zimmer und wir kuscheln uns müde in unser weiches Bett, in einem warmen Zimmer. Eine schöne Alternative zu den eisigen Nächten im Zelt. Mit einem vollen Paket stapfen wir Montag früh zur Postfiliale und schauen gespannt auf die Waage: 8 Kilo weniger! Erleichtert schwingen wir uns in die Sättel unserer Räder und machen uns auf den Weg in Richtung österreichische Grenze.



Unsere erste Grenzüberschreitung. Und hoffentlich nicht die Letzte.

Unsere erste Grenzüberschreitung. Und hoffentlich nicht die Letzte.

Irgendwie ist es ein befreiendes Gefühl, als wir auf der „anderen Seite“ ankommen. Das Wetter wechselt, die Sonne kommt heraus und weit und breit nichts ausser Natur. Links und Rechts der Donau erheben sich die ersten Hügel, auf denen teilweise noch Schnee zu sehen ist. Das Handy von Timm ist tot. Keine Verbindung.
Ein Gefühl von Abenteuer und Unabhängigkeit macht sich endlich in uns breit. Jetzt geht die Reise los!



Erste Versuche zu Fotografieren beim fahren.

Erste Versuche zu Fotografieren beim fahren.

In Linz angekommen machen wir uns mal wieder auf die Suche nach einem Platz, wo wir mal schnell ins Internet können. Mit dem „Schnell“ ist das immer so eine Sache: Schließlich haben wir zwei voll bepackte Räder dabei, die man nicht einfach so irgendwo abstellen kann. Nachdem wir beinahe eine Stunde umherirren, springt aus einem Geschäft plötzlich ein junger Mann vor unsere Füsse… äh Räder. Philip entpuppt sich als wahrer Fahrradfan und ist begeistert von unserem Vorhaben. Und das Tollste: Er bietet uns an, die Räder im Hinterhof des Geschäftes abzustellen. Eine wahre Wohltat. Wir können uns völlig frei durch Linz bewegen. Allerdings landen wir in einem McDonald. Nicht weil wir so riesige Sehnsucht nach Burgern haben, sondern weil es dort ein freies WLAN Netzwerk gibt. Burger verzehren wir natürlich zum Leidwesen unserer Reisekasse trotzdem. Da wir beinahe zwei Wochen „aufarbeiten“ müssen, rennt uns die Zeit schneller davon als uns lieb ist und wir entschliessen uns – wieder zum Leidwesen der Reisekasse – eine Nacht in der Internet-bestückten Jugendherberge zu verbringen. Philip und seine Freundin Vicky besuchen uns mit ein paar kühlen Bier und wir beenden den Tag mit einem sehr netten Austausch über Fahrradreisen und einer tollen neuen Bekanntschaft. Danke an euch Beide, dass ihr noch vorbeigeschaut habt!



GEA ein toller Individueller Schuhladen. Unseren Fahrrädern gefällts auch!

GEA ein toller Individueller Schuhladen. Unseren Fahrrädern gefällts auch!


Die Schockoladenseite von Philip und seiner Kollegin Judith.

Die Schockoladenseite von Philip und seiner Kollegin Judith.