KAPITEL 50: Timm verlässt mich
Kashgar / Xinjiang

Keine Ahnung was hier steht, aber ich finde es sieht sehr schön aus.

Keine Ahnung was hier steht, aber ich finde es sieht sehr schön aus.

Allein in Kashgar

Es fühlt sich schon komisch an, als ich allein vom Flughafen zurück zum Hostel fahre. Wenn man über 7 Monate nahezu 24 Stunden zusammen verbringt, alle Erlebnisse und Erfahrungen teilt, Entscheidungen immer zu zweit trifft (naja manchmal!), merkt man schnell, dass jemand fehlt! Aber es tut gut, nach so einer langen Zeit des Reisens mal etwas länger zu rasten und einige Tage “Freizeit” zu haben, um Kashgar zu entdecken:
Kashgar, das ist die ursprüngliche Hauptstadt der Uiguren, einstiges Handelszentrum an der Seidenstraße und Wiege islamischer Zivilisation in Zentralasien. Heute gehört die Stadt zu China. Sie liegt am Rand der krisengeschüttelten autonomen Region Xinjiang, ganz im Nordwesten der Volksrepublik. Noch erinnern die belebten Basare, Moscheen und Karawansereien an die glorreichen Zeiten, als sich Handelsreisende aus aller Welt in Kashgar trafen, um zu handeln, zu tauschen oder nur zu rasten. Durch ihre Lage, nahe der Grenzen zu Tadschikistan, Afghanistan, Pakistan und Indien war die Wüstenstadt über Jahrhunderte ein Verkehrsknotenpunkt an der Seidenstraße, dem Netz aus Handelsstraßen, das Asien mit Europa verband. Über sie wurden Seide, Gold und Gewürze zwischen den Kontinenten hin- und hertransportiert.











Spaziergang am Abend auf dem Markt: Die Auswahl an Essen ist groß

Spaziergang am Abend auf dem Markt: Die Auswahl an Essen ist groß


Und dennoch ist es manchmal schwer, etwas zu finden was einem zusagt. Denn vieles wirkt doch sehr fremdartig ;)

Und dennoch ist es manchmal schwer, etwas zu finden was einem zusagt. Denn vieles wirkt doch sehr fremdartig ;)





Kashgars Altstadt

Auszug aus dem Tagesspiegel, 10.07.2009 von Peter von Becker
Fotos zeigen den historischen Kern des derzeit von etwa 350 000 Menschen bewohnten Kashgar als dichte, baulich weitgehend noch homogene Altstadt mit traditionellen Lehm- und Ziegelhäusern, mit schön ornamentierten Wohn- und Prachtbauten im spitzbogigen, von Europäern als maurisch empfundenen Stil der islamischen Architektur. Im nächsten Vierteljahr sollen nun tausende Häuser abgerissen werden: auf Anordnung der chinesischen Provinzregierung. (…)
Die Zerstörung von Kashgar ist auch ein Fall für die Unesco. Die Stadt gehört zwar nicht zu den Weltkulturerbe-Stätten, weil China als nationaler Antragsteller überwiegend nur Orte bei der Unesco anmeldet, die weitgehend unbewohnt sind und für industriepolitische oder stadtpolitische Projekte nicht infrage kommen. Einem anderen Bericht zufolge wurde Kashgar sogar wieder von einer regierungsoffiziellen Anmeldungsliste gestrichen. Historische Stätten an der Seidenstraße gelten bei der Unesco, deren Mitglied China ist, generell als schützenswertes „Menschheitserbe“.
Die chinesischen Behörden argumentieren, dass in Kashgar anstelle der Altbauten für umgerechnet etwa 440 Millionen Dollar erdbebensichere Wohnungen für 50 000 uigurische Familien, also für rund 220 000 Menschen entstünden. Bewohner Kashgars bezweifeln diese Begründung. „Unsere Häuser haben 2000 Jahre lang Erdbeben widerstanden“, zitiert eine Reporterin der Londoner „Times“, die im Juni Kashgar bereiste, einen der künftig Vertriebenen. Asgar Cam, seit über 20 Jahren in München im Exil lebender Uigure und Vizepräsident des „Weltkongresses der Uiguren“, sagte dem Tagesspiegel: „Die historischen Lehmbauten sind viel sicherer als die Betonhäuser der Chinesen. Das haben schon frühere Beben gezeigt. In Wirklichkeit geht es darum, das alte Basarviertel mit seinen engen, winkligen Gassen abzureißen. Dort ist für die Sicherheitskräfte die Überwachung schwierig. Die chinesischen Pläne sehen nun breite, gerade Straßen mit linear aufgereihten Betonbauten und überall installierten Überwachungskameras vor.“ (…)
China will für Touristen künftig nur noch eine kleine „Museumsinsel“ in Kashgar erhalten.



Alt trifft auf Moderne

Alt trifft auf Moderne


Blick auf die "Altstadtinsel"

Blick auf die "Altstadtinsel"


Ein Labyrinth aus Gängen

Ein Labyrinth aus Gängen





Viele der Lehm-Häuser sind nur noch Ruinen

Viele der Lehm-Häuser sind nur noch Ruinen


Die Altstadt ist eine Touristenattraktion: Die Menschen, die hier noch leben sind unfreiwilliger Teil der "Austellung"!

Die Altstadt ist eine Touristenattraktion: Die Menschen, die hier noch leben sind unfreiwilliger Teil der "Austellung"!

Privater Tourguide für Kashgar

Da Timm zur Zeit in Deutschland wieder alle Köstlichkeiten genießen darf, sündige ich und gönne mir, statt chinesichem Essen einen Hamburger und Pommes. Während ich mampfend in dem Fast-Food-Restaurant sitze, gesellt sich eine Chinesin zu mir an den Tisch. “Nicht schon wieder” denke ich etwas genervt, denn erst gestern hat sich ein junges Pärchen zu mir an den Tisch gesetzt – sprach dazu kaum ein Wort Englisch – und schaute mir beim Essen zu. Schließlich wollten sie dann noch ein gemeinsames Foto.
Die Chinesin erzählt mir, dass sie Tourguide in Kashgar ist. Und wenn ich Hilfe brauche, kann sie mich gerne begleiten. Ein wirklich nettes Angebot. Dennoch versuche ich es mit einer Ausrede zu umgehen, da ich wirklich todmüde vom vielen Herumlaufen in Kashgar bin. Sie bietet sich für den nächsten Tag an und mir ist es unmöglich auch das auszuschlagen.
Als ich am nächsten Tag erholt aufwache, bin ich dankbar für die Verabredung. Schließlich werde ich mehr als eine Woche in Kashgar verbringen und bin froh etwas unternehmen zu können. Marmo wartet vor der Moschee. Sie drückt mir eine riesige Tüte Obst in die Arme und ich verstehe mal wieder nicht, warum sie mir so viel Gastfreundschaft entgegenbringt.
Wir schlendern durch die Stadt, probieren eine kulinarische Köstlich… äh Dinge aus, fahren Riesenrad und sie versucht mich – leider erfolglos – in ihre Universität einzuschleusen. Ein bisschen erfahre ich auch von ihrem Privatleben: Ihr Freund ist Buddhist, sie Muslimin. Beide sind nicht wirklich gläubig, doch ihre Eltern dafür sehr. So ist eine Heirat nahezu ausgeschlossen. Marmo kommt eigentlich aus Urumqi, der Hauptstadt der Provinz Xinjiang. Deswegen ist es ihr auch oft unmöglich die Uiguren in Kashgar zu verstehen, welche eine eigene Sprache sprechen.



Erster Tour-Punkt: Eine Fahrt mit dem Riesenrad

Erster Tour-Punkt: Eine Fahrt mit dem Riesenrad


Blick auf die Altstadt und die Neubauten

Blick auf die Altstadt und die Neubauten






Der künstlich angelegte See

Der künstlich angelegte See






Schön, wenn man Jemanden dabei hat, der einem die Speisekarte übersetzt!!!

Schön, wenn man Jemanden dabei hat, der einem die Speisekarte übersetzt!!!


Was ich dann letztendlich vor mir stehen habe, weiß ich trotzdem nicht genau!

Was ich dann letztendlich vor mir stehen habe, weiß ich trotzdem nicht genau!


Im Hostel findet sich immer jemand, mit dem man etwas unternehmen kann. Mit der Neuseeländerin Jane unternehme ich eine Radtour durch Kashgar, wobei wir auf einen "Open-Air-Billiard"-Bereich stoßen...

Im Hostel findet sich immer jemand, mit dem man etwas unternehmen kann. Mit der Neuseeländerin Jane unternehme ich eine Radtour durch Kashgar, wobei wir auf einen "Open-Air-Billiard"-Bereich stoßen...


Frauen spielen hier wohl normalerweise kein Billiard. So werden wir während des Spielens neugierig beäugt.

Frauen spielen hier wohl normalerweise kein Billiard. So werden wir während des Spielens neugierig beäugt.

KAPITEL 49: Leaving on a jet plane
KASHI/FRANKFURT




Ich bin dann mal weg…

Timm: Ich sitze im Flugzeug. Der Platz zu meiner Rechten ist frei. Das macht mir den Abschied nicht gerade leichter. War es die richtige Entscheidung Lorena zurück in Kashgar zu lassen? In den Letzten 2 Jahren unserer Beziehung waren wir nie mehr als einen Tag getrennt. Wir haben Alles zusammen gemacht, und spätestens seit der Reise waren wir 24 Stunden, 7 Tage die Woche unzertrennlich.
Vor nicht einmal 3 Tagen hat mich dann die traurige Nachricht erreicht, dass es meinem Großvater nicht gut geht und er die Nacht wahrscheinlich nicht überstehen wird. Leider war es schon nach 20 Uhr in Deutschland, so dass ich nicht mehr mit ihm telefonieren konnte. Die Nachricht traf mich sehr überraschend, schon mein Großvater mütterlicherseits verstarb während ich in Süd Korea zum Studieren war. Geschockt und zu tiefst erschüttert überlegten wir noch in der selben Nacht, was unsere Möglichkeiten waren. War die Reise hier vorbei? Wie kämen wir so schnell wie möglich nach Deutschland? Klar war für mich, ich möchte meinen Großvater noch ein mal wieder sehen! Das Gepäck und die Räder waren ein schwerer Klotz am Bein. Von Kashgar fliegen nur Airlines, die horrende Summen für Sperrgepäck verlangen. Die nächst größere Stadt war Urumqui und lag über 1500 Km entfernt. Schliesslich kamen wir zu der Überlegung, dass ich ohne Gepäck am schnellsten nach Hause kommen könnte. Und so entschlossen wir, dass Lorena mit dem gesamten Gepäck und unseren Rädern in Kashgar bleibt und ich in circa zwei Wochen wieder komme.
Hier bin ich also. Im Flugzeug von Kashgar über Urumqi und Peking nach Frankfurt. In windes Eile hatten wir noch einige Dinge zusammengesucht, die wir für China womöglich nicht mehr benötigen werden, und uns das Reisen in Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes erleichtern sollen. Mit gemischten Gefühlen bewege ich mich mit hunderten von Stundenkilometern auf zu Hause zu. In nicht einmal 20 Stunden werde ich meine Familie wiedersehen. Ich freue mich, auch wenn der Anlass ein Trauriger ist. Am Flughafen in Peking bleibt mir nur 1 Stunde und 30 Minuten zum umsteigen. Dummerweise konnte man mein Gepäck nicht direkt bis Frankfurt schicken und so warte ich am Gepäckband auf meine Tasche. 50 Minuten bevor mein Flieger nach Frankfurt abhebt, stehe ich am Check-Inn Schalter. Doch dieser ist zu meiner großen Enttäuschung vor 10 Minuten geschlossen worden. Wir haben bereits 2 Uhr Nachts und der Flughafen ist wie ausgestorben. Niemanden den ich noch beknien könnte. Und jetzt? Brauch ich ein neues Ticket? Wann geht der nächste Flieger? Wer bezahlt den Scheiss? Ich komme ins Gespräch mit einem Chinesen Namens Jiang, der gerade zusammen mit seiner Frau aus Californien kommt. Sie bieten sich an mich mit zu einem Hotel zu nehmen, und von unterwegs mit der Hotline von Air-China zu telefonieren. Ich willige dankend ein.
Im Hotel angekommen vermittelt Mr. Jiang mir ein Zimmer. Es kostet 260 Yuan. Doch ich habe leider nur einen Notgroschen von 200 Yuan mitgenommen. Mr. Jiang ist sehr großzügig und unglaublich hilfsbereit: entgegen meiner Bitten, bezahlt er die Differenz und schenkt mir noch 30 Yuan als Taschengeld für den kommenden Tag. XIE XIE!!!
Nach einer fast schlaflosen kurzen Nacht fahre ich mit dem Hotelshuttel wieder zurück zum Flughafen. Es funktioniert alles reibungslos und ich bekomme anstandslos ein neues Ticket ausgestellt. Auf den Hotelkosten bleiben Jiang und ich allerdings sitzen. Egal. Darauf kommt es jetzt nicht an. Ich will nach Hause!
10 Stunden später geht mein Wunsch in Erfüllung, das Flugzeug landet in Frankfurt! Ich kann es kaum erwarten meinen Opa und meine Familie nach der langen Zeit endlich wieder zu sehen!



Kapitel 48: Livestock market in Kashgar
Xinjiang, Kashgar




Kashgar

Kashgar – Die Stadt war ein wichtiger Knotenpunkt der legendären Seidenstrasse. Sie wird eingekesselt vom mächtigen Tian Shan Gebirge und der extremsten Wüste der Erde, der Taklamakan! Kamelkarawanen passierten die Stadt, wenn sie von China nach Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Pakistan oder Indien zogen.
Die Kamele wurden inzwischen größtenteils durch Lastwagen ersetzt, dennoch ist Kashgar immer noch eine Stadt des Handels und es ist laut einiger China-Guide-Bücher eine touristische Pflicht den allwöchentlichen Sonntagsbazaar zu besuchen. Wir entscheiden uns für den aus der Stadt ausgegliederten Tiermarkt, wo um Kamele, Pferde, Kühe, Esel, Ziegen und Schafe gefeilscht wird.
Der Ruf China’s in Bezug auf Menschenrechte ist bekanntlich nicht der beste, so ist es kaum verwunderlich, dass auch die Bedingungen für die Tiere auf dem Viehmarkt nicht beneidenswert sind.



Der Klügere gibt nach?

Der Klügere gibt nach?


Wer wohl den besten Preis für mich zahlt?

Wer wohl den besten Preis für mich zahlt?






Es sind vielmehr die Menschen, als die Tiere, die den Markt interessant machen!

Es sind vielmehr die Menschen, als die Tiere, die den Markt interessant machen!






Hier befinden wir uns in der Abteilung: "Weisse Ziegen"

Hier befinden wir uns in der Abteilung: "Weisse Ziegen"


Kühlkette? Das Fleisch landet direkt im Topf!

Kühlkette? Das Fleisch landet direkt im Topf!









KAPITEL 47: China!!!
Xinjiang, Kashgar

Auf dem Weg ins Land der aufgehenden Sonne... äh nee das war ja Japan! Wir wollen nach China!

Auf dem Weg ins Land der aufgehenden Sonne... äh nee das war ja Japan! Wir wollen nach China!

Die Chinesische Grenze

Timm: Wir müssen schieben, uns fehlt die Kraft, obwohl der Anstieg fast lächerlich ist. Wir befinden uns in der letzten Kurve vor der chinesischen Grenze. Im Zuge unserer Reisevorbereitungen haben wir viele Schauergeschichten über Radreisende in China gelesen. Dem entsprechend mulmig ist unser Gefühl, als wir uns die letzten Meter doch noch auf die Räder schwingen. Das lassen wir uns nicht nehmen. Der “Zieleinlauf” soll nicht schiebend erfolgen! Mit großem Respekt passieren wir demütig das Tor in eine andere Welt. Was erwartet uns? Was erwarten wir? Polizeibeamte die Tage lang stramm stehen können, ohne eine Miene zu verziehen? Zensur? Kein Facebook! Gehirnwäsche, Meinungsmache und Spitzelei á la Stasi?
Doch die Grenzbeamten scheinen noch Nichts von den Klischees gehört zu haben. Sie spielen eifrig Basketball in oliv-grünen Uniformen und bemerken uns beinahe nicht, als wir lautlos an ihnen vorbeirollen. Das wars? Sind wir jetzt in China? Der Weg führt über eine staubige Piste entlang verlassener Grenzgebäude. Haben die Mittagspause? Sollten wir ohne Stempel weiterfahren, oder warten bis vielleicht noch ein “Stempler” auftaucht? Wir entschliessen uns fürs Weiterfahren. Nach zwei Kilometern taucht schließlich doch noch das eigentliche Grenzgebäude auf, dass China würdig zu representieren versucht: Groß!
Wir drängeln uns in alter Manier vorbei an den wartenden Trucks. Von Weitem werden wir schon herangewunken. Touristenbonus auch in China? Wohl eher nicht. “Open your Bags!” Sagt einer der Beamten mit drängendem militärischem Ton und versteinerter Miene. “Do you have guns?” Wäre einer der Sätze gewesen, die man normalerweise an Grenzübergängen zu hören bekommt. Doch bei der Frage: “Do you have books?” bin ich etwas irritiert. Ja, das ist das China, das ich erwartet habe!



Das letzte Dorf vor der Grenze: Und das letzte Foto. Wir wollen im Grenzbereich keinen Ärger provozieren.

Das letzte Dorf vor der Grenze: Und das letzte Foto. Wir wollen im Grenzbereich keinen Ärger provozieren.


Es ist noch früh am Morgen. Wir wollen unsere letzten kirgisischen Som loswerden, daher holt einer der Jungs extra seine Mutter, die für uns ihren Laden öffnet. Sehr aufmerksam!

Es ist noch früh am Morgen. Wir wollen unsere letzten kirgisischen Som loswerden, daher holt einer der Jungs extra seine Mutter, die für uns ihren Laden öffnet. Sehr aufmerksam!

Verbannung in den Truck

Timm: Leider dürfen wir die nächsten Kilometer nicht mit dem Fahrrad fahren, da die Chinesen Fahrradfahrer in Grenznähe nicht besonders toll finden. Deshalb werden wir mit wartenden Truckern verkuppelt, die nicht gerade glücklich darüber sind, Taxi für Touristen zu spielen. Soweit so gut. Doch der Knaller: Es darf immer nur eine Person mit einem Trucker fahren. Nachdem wir nicht die beste Erfahrung mit lüsternen Asiaten gemacht haben, finden wir den “Vorschlag” Lorena die nächsten 6 Stunden zu einem einsamen Trucker zu stecken – ja, so lange braucht man für die 140 Kilometer lange Strecke – nicht wirklich prickelnd. Doch viel Entscheidungsfreiraum bleibt uns nicht, denn die Beamten und Trucker drängen eingehend. Wieder einmal muss Alles schnell gehen. Die Fahrräder werden notdürftig vertaut und ehe ich mich versehe düst Lorena mit einem Truck und dem gesamten Gepäck ins bevölkerungsreichste und viertgrößte Land der Welt.
Erst als sich die Hektik legt und auch mein Truck sich in Bewegung setzt, realisiere ich, dass ich nun die nächsten 6 Stunden Zeit haben werde mir Sorgen zu machen: Wo werden wir hingebracht? Kommen wir Beide am gleichen Ort an? Werden wir uns wieder finden? Hat Lorena Probleme mit dem Fahrer, oder anderen Leuten? Wo bekommen wir Yuan her? Werden die Räder überleben? Findet Lorena den Sprachführer, den ich in meiner Tasche versteckt habe? Kommen wir noch vor Dunkelheit an?
Um 19 Uhr Pekingzeit komme ich in Neu Ulugchat beim Zoll an. Hier wird man schon erwartet und ich bekomme endlich den ersehnten Einreisestempel. Die Beamten sind völlig überrascht, dass ich nur mit einer Tüte Kekse und einer leeren Packung Orangensaft reise. Verdammt harter Bursche eben! Doch innerlich bin ich ziemlich nervös und aufgebracht. Mittlerweile ist es 20 Uhr. Die Sonne geht langsam unter und Lorena ist immer noch nicht da. Die Beamten machen Feierabend und schließen die Schranken. Ich schaue die Straße entlang, aus der wir gekommen sind. Von Lorena keine Spur. Tief über der Straße hängt dunkelrot die untergehende Sonne. Sollte ich mir ein Taxi nehmen und ihr entgegenfahren? Ich habe aber keine Yuan. Einer der Zöllner hat Mitleid. Als er Feierabend macht bietet er mir sein Zöllnerhäusschen an. Auch wenn es nicht beheizt ist, so werde ich zumindest heute Nacht nicht erfrieren.



Gefangen im Truck: China zieht am Fenster vorbei

Gefangen im Truck: China zieht am Fenster vorbei

Lorena: Und dann ist Timm weg. Großartig! Kein Geld. Kein Telefon. Kein Wort Chinesisch! Der Fahrer wagt den Versuch einer Unterhaltung: Ob ich verheiratet bin? – Ja! ist meine knappe Antwort. So verläuft die Fahrt recht wortlos und ich versuche nicht zu oft auf die Uhr zu schauen, so dass die sechs Stunden schneller rum gehen.
Dann hält er plötzlich an, steigt aus und verschwindet aus meinem Blickfeld. Als er wieder an der Tür erscheint, bittet er mich, mir den Eimer zu meinen Füßen zu reichen. Ich lehne mich aus dem Fenster und sehe den Grund dafür: Eine sich schnell ausbreitende Pfütze Benzin bahnt sich ihren Weg über die Strasse. Na super! Ein paar Truckkollegen tauchen auf und versuchen mit vereinten Kräften, Eimern und Flaschen das Benzin aufzufangen. Endlich geht es weiter. Da sich die Beifahrertür nicht öffnen lässt, muss ich auf der Fahrerseite in den Truck klettern. Und bekomme – schwups – einen Klaps auf den Hintern! Ich fasse es nicht! Was ist eigentlich fehl gelaufen bei der Programmierung des männlichen Gehirns? Ich strafe den Fahrer mit einem mahnenden Blick – was bleibt mir auch anderes übrig? Ich will ja irgendwie am Ziel ankommen und verstehen tut mich hier auch keiner! Dennoch entwickle ich einen Notfallplan: Messer und Pfefferspray griffbereit in der Tasche und das Fenster weit offen.
Als wäre das nicht genug, streift der Truck kurz darauf auch noch einen Kleintransporter. Hangabwärts kommen wir zum stehen. Eine Menschentraube bildet sich und starrt gebahnt auf die zwei Fahrzeuge, die ineinandergekeilt mitten auf der Fahrbahn stehen. Genau so verharren alle für etwa eine halbe Stunde. Nichts tut sich. Dann – wie auf ein unsichtbares Signal – steigen die Leute wieder ein und fahren weiter. Den Sinn des Wartens habe ich bis jetzt nicht verstanden.
Entnervt, müde und hungrig treffe ich endlich am Immigrationsgebäude ein. Ich bin überglücklich als ich Timm entdecke.
Die nächste Überraschung folgt, als wir die Türen des LKW-Containers öffnen: Unsere Räder haben sich ineinander und mit dem Truck verkeilt und liegen begraben unter einer dicken Staubschicht. Die Grenzbeamten geben sich sichtlich Mühe uns zu helfen und sind äußerst freundlich. Trotz ihrer Bemühungen werden sie jedoch mit meiner mittlerweile überaus schlechten Laune konfrontiert…



Zum Zelten haben wir keinen Nerv mehr: Ab ins nächste Hotel.

Zum Zelten haben wir keinen Nerv mehr: Ab ins nächste Hotel.

Wodka und Trucker

“Das Grenzgebäude ist schon geschlossen”, mit dieser Botschaft empfängt mich Timm. Und ich sehe uns schon vor dem Gebäude Zelten. Doch für verspätete Touristen – also mich – wird eine Ausnahme gemacht. Die Überstunden schiebenden Beamten sind sehr freundlich und erledigen schnell in einem akzeptablen Englisch die Formalitäten. Dann stehen wir da. Eingestaubt. Fremd. Nicht in der Lage ein einziges chinesisches Zeichen zu entziffern. Wir sind erschöpft – nicht körperlich, sondern nervlich. Wir wünschen uns Nichts mehr als eine ruhige Nacht! So beschließen wir, uns den Luxus eines Hotels zu gönnen. Die Auswahl ist nicht groß, denn in China werden nur in auserwählten Hotels Touristen geduldet. Die hilfsbereiten Grenzbeamten schreiben uns den Namen in chinesischen Schriftzeichen auf und wir schieben – Fahren ist leider nicht mehr möglich – unsere verdreckten und kaputten Räder 4 km durch die Dunkelheit auf die in der Ferne leuchtende Stadt zu. Fazit: Eine Speiche gebrochen, zwei weitere verbogen, Felge zerkratzt, die Rad-Taschen durchgescheuert, Tonangel kaputt und Lorenas Vorderbremse verliert Öl.
Als wir nach einem kurzen Stopp im Hotel, eingestaubt, müde und entnervt wie wir sind, auf Essenssuche an einigen kleinen Restaurants vorbei schlendern, winken uns plötzlich zwei bekannte Gesichter zu: Unsere Truckfahrer! Meiner ist zum Glück nicht dabei, so beschließen wir dem einladenden Winken zu folgen und nehmen an ihrem Tisch Platz. Wir haben ein schlechtes Gewissen: Timm fragt, was er dem Fahrer für die Fahrt schuldig ist. Obwohl die “Taxi-Fahrt” eigentlich kostenlos ist, freuen sich die Fahrer, die zu diesem Service gezwungen werden, natürlich über ein kleines Trinkgeld. Nach kurzem Überlegen zeigt er dann auf sein Essen. Fairer Deal, wir willigen ein.
Schnell wird für uns noch eine riesige Platte “jiao tse” (gefüllte Nudeltaschen) nachbestellt. Dadurch, dass die Männer oft nach Osh in Kirgisistan fahren, sprechen sie auch ein paar Worte Russisch, so dass wir uns recht gut verständigen können. Hinzu kommen noch zwei Flaschen chinesischer Schnaps (Baijiu) und es entwickelt sich ein lustiger Abend. Am Ende bestehen die beiden Männer darauf alles zu zahlen und laden uns sogar zu sich und ihren Familien nach Urumqi ein! Etwas beschwipst und mit vollem Magen schwanken wir ins Hotel zurück und schlafen tief und fest bis zum nächsten Morgen. Kein schlechter Abgang für diesen miesen ersten Tag in China.



Unser Stammlokal

Unser Stammlokal






Frittiertes Allerlei

Frittiertes Allerlei

Alles ist anders!

Kulinarisches, Stäbchen, Hightech, Elektroroller, Riesengebäude, Währung, Verkehrsregeln (also Keine), Supermärkte, Sprache, Gestik, Mimik, Sitten, Bräuche, Manieren und vieles mehr. Auch dadurch, dass es uns nicht erlaubt war mit dem Fahrrad nach China hinein zu radeln, sondern unsanft mit dem Truck hineinkatapultiert wurden, stehen wir nun in einer uns fremden Welt. Neue Gerüche, neue Gesichter, unbekannte Zeichen und Töne. Wir sind überwältigt von der Flut aus Eindrücken. Aber es weckt auch den Entdeckergeist…



Wer kann das lesen?

Wer kann das lesen?

So schließt sich der Kreis

Auf dem Weg nach China trifft man einige “Radfahrkollegen”. Was immer nett ist, denn es wird geplaudert und sich ausgetauscht. Und obwohl die Welt eigentlich groß genug ist, fühlt man sich doch wie eine kleine Gemeinschaft.
Auf dem Weg nach Kashgar holen wir überraschenderweise ein Schweizer Pärchen ein. Wir müssen schmunzeln, denn obwohl uns Marlen und Urs noch nie gesehen haben, wissen wir doch mehr über die Beiden als sie vermuten!
In Kazarman hörten wir, dass sie sich für einige Tage den acht Franzosen angeschlossen hatten. Von einem deutschen Radfahrer, den wir etwas später in Jalalabad trafen, dass Marlen für ein paar Tage alleine auf der selben Strecke wie wir unterwegs war. (Da haben wir uns unbekannterweise ernsthaft Gedanken um sie gemacht, denn dieser Streckenabschnitt ist ziemlich einsam und die Strasse schwierig zu fahren – Wir sind froh, dass sie nun putzmunter vor uns steht). Und auch das Gerücht, dass zwei Backpacker in Bishkek auf Fahrräder umgesattelt haben, bestätigt sich nun. Denn das waren auch: Marlen und Urs!
Und wir haben noch eine Überraschung: Dank unseres GPS wissen wir, dass es ab jetzt nur noch Berg ab Richtung Kashgar geht. Das freut die Beiden sehr, da sie noch zwei 3000er Pässe vor sich vermuteten und wie wir, nach der ruckeligen Truckfahrt, etwas orientierungslos waren.
Gemeinsam radeln wir weiter und der Radfahrtratsch geht weiter: Etwas traurig macht uns die Neuigkeit, dass der Französe Ives-Marie, den wir in Baku kennengelernt haben seine Reise wohl in Bishkek beendet hat.










KAPITEL 46: ETAPPE IV – 2 Zwerge & 7.000er Berge
Ferghana - Irkeshtam




Die zwei Zwerge und die 7000er Berge

Kirgisistan war bisher das landschaftliche Highlight. Dass es noch schöner werden würde, hatten wir kaum geglaubt. Doch auf unserer letzten Etappe, bevor wir nach unserer 7-monatigen Reise endlich China erreichen, erwarten uns am Irkeshtam-Pass gigantische, über 7000 Meter hohe Berge. Und wir bekommen einen kleinen Vorgeschmack darauf, welche Temperaturen und Schneemengen uns im Winter erwarten könnten.






Vom Ferghana-Valley zurück in die Berge

Wir haben beschlossen Osh, die zweite größte Stadt Kirgisistans, zu umgehen und eine weniger befahrene Route zu wählen. Bei beiden Routen erwarten uns in etwa gleichhohe Pässe, da kommt man in diesem Land einfach nicht herum! Doch wir hoffen, dass die Landschaft abseits der Hauptstrasse mehr bereit hält als in dem eher dicht besiedelten Ferghana-Valley.











Auf unserer Karte sah die Strecke recht unbevölkert aus. Und auch die Stadt Kara-Kulja war als kleiner Punkt angegeben: Überraschende Realität

Auf unserer Karte sah die Strecke recht unbevölkert aus. Und auch die Stadt Kara-Kulja war als kleiner Punkt angegeben: Überraschende Realität


Dennoch finden wir ein ruhiges Plätzchen für unser Zelt

Dennoch finden wir ein ruhiges Plätzchen für unser Zelt


Und man glaubt es kaum: Internetverbindung!

Und man glaubt es kaum: Internetverbindung!


Auf diese riesige Spinne haben wir aus Versehen unser Zelt gestellt. Etwas erleichtert sind wir allerdings, dass zumindest dieses Exemplar uns nicht mehr gefährlich werden kann.

Auf diese riesige Spinne haben wir aus Versehen unser Zelt gestellt. Etwas erleichtert sind wir allerdings, dass zumindest dieses Exemplar uns nicht mehr gefährlich werden kann.


Unser stiller Beobachter: Ein Hirtenjunge

Unser stiller Beobachter: Ein Hirtenjunge


Nicht immer begegnen uns die Kirgisen so freundlich wie diese Gruppe Männer. Besonders wenn Alkohol im Spiel ist, kann es auch mal ungemütlich werden...

Nicht immer begegnen uns die Kirgisen so freundlich wie diese Gruppe Männer. Besonders wenn Alkohol im Spiel ist, kann es auch mal ungemütlich werden...

Rangelei

Timm: Nach Georgien scheint Kirgisistan das Land mit den meisten Betrunkenen. Immer wieder werden wir Zeuge von hitzigen Diskussionen und Rangeleien unter alkoholisierten Kirgisen:
Wieder einmal schieben Lorena und ich die Räder eine steilen Weg durch ein verschlafenes Bergdorf hinauf. Zwei betrunkene ältere Männer kreuzen unseren Weg, nehmen mir das Fahrrad aus der Hand und schieben es für mich den Hang hinauf. Ich bin dankbar und belustigt. Aber auch etwas besorgt um das beladene Rad, denn die beiden Männer können sich kaum auf den eigenen Beinen halten. Oben angekommen habe ich Mühe das Fahrrad wieder an mich zu nehmen, denn einer der Beiden hält es mit eisernem Griff fest. Ich bleibe freundlich und lasse mich etwas wider Willen auf eine “Unterhaltung” ein. Lorena hat mittlerweile zu uns aufgeschlossen und die Aufmerksamkeit des Anderen, etwas jüngeren Alkis, auf sich gezogen. “So dürfen wir jetzt bitte weiter?” Ich werde langsam ungeduldig, denn die Situation scheint sich nicht zu entspannen. Im Gegenteil. Die beiden Kirgisen scheinen sich langsam ihrer Überlegenheit bewusst zu werden. Mit hungrigen Blick scannt der Erste das Fahrrad ab und findet, was er sucht: Lorenas Strohhut, der an mein Fahrrad gebunden ist. “Gib mir den Hut!” prabbelt er mit feuchter Stimme, während er wie ein hirnloser Affe und starrem Blick mit der freien Hand auf den Hut zeigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir zwei schwankende Betrunkene gefährlich werden können. Und so antworte ich mit einem lauten “NEIN!” Aber unsere beiden Gegenüber lassen sich davon nicht beeindrucken und werden fordernder. Lorena ist nervös, denn der Zweite rückt ihr ziemlich auf die Pelle. Ich versuche das Fahrrad loszureissen. Doch der Kirgise hat mehr Kraft, als ich erwartet habe. Schliesslich schaffe ich es doch. Der Strohhut von Lorena überlebt die Rangelei allerdings nicht. Er bleibt zerknittert und zerissen am Fahrrad hängen. Ich werde laut und fange an zu brüllen. Ich drehe mich um, und will zurück ins Dorf schieben, weil wir dort wohlmöglich sicherer sind, als Lorena brüllt: “TIIIIIMMMMM!!!!” Der Kirgise hinter mir hat einen großen Stein aufgehoben, um ihn nach mir zu werfen. Dass die Situation so aus dem Ruder läuft, hätte ich nicht gedacht. Zum Glück kommt uns der Zweite zur Hilfe und hindert den Vollidioten daran zu schmeissen. Schnell schwingen Lorena und ich uns auf die Räder und fahren mit zittrigen Beinen zurück ins Dorf.


Lorena: Ich bin besonders wütend darüber, dass niemand in das Geschehen eingreift. Mit einem unguten Gefühl setzen wir nach einer Weile unseren Weg fort. Was sollen wir auch anderes tun? Zurück? Warten, dass in dieser Einöde ein Auto vorbei kommt, welches uns mitnehmen kann? Die nächsten Kilometer windet sich die Strasse zum Pass hinauf und in die Einsamkeit. Sollten die Beiden Männer sich in ihrer Ehre gekränkt fühlen und uns verfolgen, um schließlich doch noch die heilige Trophäe – den Marlboro Strohhut – in den Händen zu halten, haben wir schlechte Chancen. So fahren wir, immer wieder in den Rückspiegel schauend, nach oben und sind heilfroh endlich und unversehrt die Kuppe zu erreichen.



Oben! Sollte uns nun noch jemand folgen hat er schlechte Chancen: Ab jetzt geht es bergab!

Oben! Sollte uns nun noch jemand folgen hat er schlechte Chancen: Ab jetzt geht es bergab!


Eine Jurte im Sonnenlicht

Eine Jurte im Sonnenlicht


Auf dem Weg in Richtung Gülcho werden wir von einer Horde Schulkinder umringt. Die Jungs positionieren sich für Timm, die Mädchen für Lorena.

Auf dem Weg in Richtung Gülcho werden wir von einer Horde Schulkinder umringt. Die Jungs positionieren sich für Timm, die Mädchen für Lorena.


Kirgisische Schuluniform: Schwar-weiß, Schürzen und übergroße "Bommeln" in den Haaren

Kirgisische Schuluniform: Schwarz-weiß, Schürzen und übergroße "Bommeln" in den Haaren

Kirgisische Bildungspolitik

Das kirgisische Bildungssystem beginnt nach dem Kindergarten mit einer 9- oder 11-jährigen Mittelschulphase. Nach Abschluss des 9-jährigen Zweiges gibt es die Möglichkeit einer praktischen Berufsausbildung oder des Besuchs einer technischen Mittelschule. Die 11-jährige Mittelschulausbildung berechtigt zum Hochschulstudium. Unterrichtssprachen sind in der Regel die Amtssprachen Russisch und Kirgisisch, wobei im Gegensatz zu anderen Staaten der postsowjetischen Region Russisch noch eindeutig überwiegt. Nur etwa 13 Prozent der vorhandenen Studienplätze sind gebührenfrei und werden aus dem Staatshaushalt finanziert. Für die restlichen Studienplätze werden Studiengebühren erhoben, die je nach Universität pro Jahr zwischen 15.000 Som (Mindestgebühr an staatlichen Universitäten, umgerechnet etwa 300 Euro) und maximal 232.00 Som (umgerechnet etwa 3.800 Euro) liegen.
Die Qualität der schulischen und universitären Ausbildung ebenso wie das allgemeine Bildungsniveau haben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion erheblich gelitten. Dies liegt an den allgemein schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen und der daraus resultierenden strukturellen Unterfinanzierung des gesamten Bildungssystems. Die offiziellen Gehälter für Lehrer und Dozenten sind zu niedrig, um den Lebensbedarf zu decken. Daraus resultieren Abwanderung besonders qualifizierter Kräfte ins Ausland oder in die freie Wirtschaft sowie Korruption, die im Bildungsbereich leider weit verbreitet ist. Dies wiederum hat negative Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung. Geld für Renovierungen und Neuausstattungen steht in der Regel nicht zur Verfügung. Ländliche Gebiete sind besonders betroffen. (Infos: Webseite des Auswärtigen Amts).






Hausbesuch

Auch in Kirgisistan kommt es vor, dass man in besiedelten Gebieten keinen ruhigen Schlafplatz findet. So fragen wir kurzerhand bei einer kleinen Bauernsiedlung an. Und siehe da: Freundlich werden wir von drei Jungen zielsicher auf deren Kuhwiese geführt. Scheinbar sind wir nicht die Ersten, die hier um Asyl gebeten haben!
Der Älteste spricht ein wenig Englisch, was hier in Kirgisistan nicht besonders oft vorkommt, und eine Verständigung sehr erleichtert. Wir werden sehr freundlich und offenherzig zu Tee und Brot in das spährlich eingerichtete Lehmhaus eingeladen. Die Großmutter liegt zusammengekauert auf ein paar Decken am Boden, den Kopf mehrlagig eingewickelt in ein dickes Tuch. Wir vermuten Zahnschmerzen – doch genau herausfinden können wir es nicht. Während wir uns mit den Jungs über die Tiere Kirgisistans austauschen, sie die Bilder auf unserer Kamera begutachten, stillt die Mutter plötzlich vor unseren Augen den Kleinsten, was uns in dem sonst eher “verhüllten” Kirgisistan wirklich überrascht.
Die Jungs sind sichtlich traurig, als wir am nächsten Morgen unsere sieben Sachen packen. Der Älteste bittet uns mehrmals: “Zavtra, zavtra” – “Morgen”, doch wir wollen nicht zu spät an der so pingelichen chinesischen Grenze ankommen. Es werden noch kleine Geschenke verteilt: Ein Edding. Kekse. Ein Blinklicht für das Fahrrad. Unser zweites Bildwörterbuch für den Kleinen. Die Freude darüber ist riesig. Ein bisschen wehmütig fahren wir davon, denn gerne würden wir den Jungs nach unserer Rückkehr nach Deutschland etwas zuschicken. Obwohl der Älteste uns eine Adresse aufgeschrieben hat, zweifeln wir daran, ob diese richtig ist.



Seit Langem zelten wir mal wieder "unter Leuten".

Seit Langem zelten wir mal wieder "unter Leuten".


Es ist immer wieder schön zu sehen, wie sehr sich Kinder von unserem Reiseequipment begeistern lassen!

Es ist immer wieder schön zu sehen, wie sehr sich Kinder von unserem Reiseequipment begeistern lassen!


Besonders der Kleinste der Familie ist ein süßer Schelm

Besonders der Kleinste der Familie ist ein süßer Schelm


Und zeigt uns, von seinen älteren Brüdern dazu "dressiert", dass er schon mit 1 1/2 Jahren Liegestütz kann. Genial!

Und zeigt uns, von seinen älteren Brüdern dazu "dressiert", dass er schon mit 1 1/2 Jahren Liegestütz kann. Genial!

Hohe Pässe und wie man sie umgeht

Von Gülcho sind es noch 170 Kilometer und drei Pässe bis zur chinesischen Grenze. Die Strasse ist gut. Asphalt. Nach dem Schotter der letzten Wochen rollt es sich hier fast von alleine. Trotzdem sind unsere Beine schwer und unsere Körper erschöpft. Das ewige Rauf und Runter hat unsere Kraft-Reserven geschröpft. Als plötzlich neben uns ein Kleintransporter sein Tempo reduziert und ein französicher Radfahrer uns freundlich fragt: “Wollt ihr zum Pass mit hochfahren?” fällt uns die Entscheidung nicht schwer. Schwupp sind wir drin und in rasantem Tempo geht es hinauf. Ein bisschen faul kommen wir uns schon vor, als wir am Pass aus dem Auto springen und nun von oben auf die steilen Serpentinen herunter blicken.
Nach einer kurzen, sehr kühlen Abfahrt folgt ein zweiter Pass. Ein Wunsch vieler Rad-Reisender ist es über den berüchtigten und landschaftlich wohl traumhaften Torugart Pass nach China einzureisen. Doch die chinesische Regierung erschwert einem dies durch kostspielige Regelungen, so dass wir uns für die zweite Möglichkeit, den bürokratisch einfacheren Irkeshtam-Pass entschieden haben.
Torugart hin oder her: Als wir über die Kuppe des zweiten Passes spähen und die schneebedeckte Gipfelkette des Pamirgebirges vor uns erblicken, glauben wir, das hier steht ihm in Nichts nach: Die 7000 Meter hohen Berge blicken wie Riesen auf uns und das kleine Dorf Sary-Tash hinab. In ihrem Angesicht vergisst man beinahe, dass man sich bereits auf einer Höhe von 3000 Metern befindet, da sie immer noch gigantisch wirken.



Geschummelt: Die Serpentinen, die hinauf zum ersten Pass führen, haben wir mit maschineller Hilfe bewältigt.

Geschummelt: Die Serpentinen, die hinauf zum ersten Pass führen, haben wir mit maschineller Hilfe bewältigt.


Eben noch im T-Shirt - jetzt in voller Wintermontur. Auf dem Pass weht ein eisiger Wind und der Schnee ist zum Greifen nah

Eben noch im T-Shirt - jetzt in voller Wintermontur. Auf dem Pass weht ein eisiger Wind und der Schnee ist zum Greifen nah


Immer wieder sind wir gespannt, welche Aussicht ein Pass für uns bereit hält: Diese gehört zu unseren absoluten Highlights!

Immer wieder sind wir gespannt, welche Aussicht ein Pass für uns bereit hält: Diese gehört zu unseren absoluten Highlights!


Auf der Suche nach einem Zeltplatz. Wichtigstes Suchkriterium: Eine gute Sicht auf die grandiosen Berge!

Auf der Suche nach einem Zeltplatz. Wichtigstes Suchkriterium: Eine gute Sicht auf die grandiosen Berge!


Innehalten. Mit Blick auf den 7134 Meter hohen Lenin Peak, scheint hier die perfekte Stelle für unser Zelt gefunden.

Innehalten. Mit Blick auf den 7134 Meter hohen Lenin Peak, scheint hier die perfekte Stelle für unser Zelt gefunden.


Oberhalb der Kleinststadt Sary-Tash schlagen wir unser Zelt auf

Oberhalb der Kleinststadt Sary-Tash schlagen wir unser Zelt auf






Verzweifelt versuchen wir in eisiger Kälte unseren Kocher zum Laufen zu bringen. Doch die Düse ist dank verbleitem Benzin verstopft. Grrrr.

Verzweifelt versuchen wir in eisiger Kälte unseren Kocher zum Laufen zu bringen. Doch die Düse ist dank verbleitem Benzin verstopft. Grrrr.


Da bleibt uns trotz kalter Temperaturen nur Kaltnahrung wie geräucherter Käse und lauwarmer Kartoffelbrei. Lecker.

Da bleibt uns trotz kalter Temperaturen nur Kaltnahrung wie geräucherter Käse und lauwarmer Kartoffelbrei. Lecker.





Sary-Tash

Die Siedlung auf 3200 Metern ist eher ein Durchgangsort, für Reisende und Trucks, die sich auf dem Weg nach China oder Tadjikistan befinden. Eine Tankstelle, an der Weggabelung. Einige “Hotels” und ein paar winzige Lebensmittelläden. Wir gönnen uns, nach dem gestrigen Versagen unseres Kochers noch ein warmes Mittagessen, währenddessen wir unsere GPS-Batterien aufladen und die verstopfte Kocherdüse reinigen.



Kleines Nest vor riesigen Bergen: Sary-Tash

Kleines Nest vor riesigen Bergen: Sary-Tash


Nach dem verzweifelten Versuch uns mit Nahrungsmitteln für die kommenden Tage auszurüsten, kommen wir erst am Nachmittag aus Sary-Tash los.

Nach dem verzweifelten Versuch Brot zu finden, kommen wir erst am Nachmittag aus Sary-Tash los.






Kaum zu erkennen: Vor den Schneegiganten wirken die Jurten winzig

Kaum zu erkennen: Vor den Schneegiganten wirken die Jurten winzig


Und die Tage werden nun wieder kürzer, so schlagen wir schon bald darauf unser Zelt auf.

Und die Tage werden nun wieder kürzer, so schlagen wir schon bald darauf unser Zelt auf.


Am nächsten Tag folgen wir der schnurrgeraden Strasse in Richtung Irkeshtam-Pass und chinesischer Grenze. Wie man sieht ist Vorsicht geboten: Immer wieder rasen monströse Trucks an uns vorbei.

Am nächsten Tag folgen wir der schnurrgeraden Strasse in Richtung Irkeshtam-Pass und chinesischer Grenze. Wie man sieht ist Vorsicht geboten: Immer wieder rasen monströse Trucks an uns vorbei.


Es fällt schwer geradeaus zu schauen: Die Berge ziehen uns in ihren Bann.

Es fällt schwer geradeaus zu schauen: Die Berge ziehen uns in ihren Bann.


Am Irkeshtam-Pass: 3723 Meter.

Am Irkeshtam-Pass: 3723 Meter.


China, wir kommen!

China, wir kommen!


Am liebsten würden wir gar nicht weiter fahren: Ein letzter Blick auf die schneebedeckten Berge, bevor es hinunter geht.

Am liebsten würden wir gar nicht weiter fahren: Ein letzter Blick auf die schneebedeckten Berge, bevor es hinunter geht.


China liegt nun in greifbarer Nähe: Unsere letzte Nacht auf kirgisischer Seite 10km vor der Grenze

China liegt nun in greifbarer Nähe: Unsere letzte Nacht auf kirgisischer Seite 10km vor der Grenze


Am Morgen ist frühes Aufstehen angesagt, da wir die Öffnungszeiten der chinesischen Grenze nicht kennen. Doch Lorena findet den Ausgang aus ihrem Schlafsack nicht.

Am Morgen ist frühes Aufstehen angesagt, da wir die Öffnungszeiten der chinesischen Grenze nicht kennen. Doch Lorena findet den Ausgang aus ihrem Schlafsack nicht.